Archiv der Kategorie: Berichte

Earth Overshoot Day 2024

Das Global Footprint Network berechnet den Erdüberlastungstag für das Jahr 2024 auf den 1. August. An diesem Tag hat die Menschheit die globalen Ressourcen, die ihr für ein nachhaltiges Leben und Wirtschaften in einem Jahr eigentlich zur Verfügung stehen, aufgebraucht. Den Rest des Jahres leben wir sozusagen „auf Pump“, wobei hier die Zukunft „angepumpt“ wird, und zwar ungefragt. Anders ausgedrückt benötigen wir für unsere gegenwärtige Art zu Leben und zu Wirtschaften 1,7 Erden – wir haben jedoch nur eine. Und schlimmer noch: Wenn alle Menschen auf der Erde so leben würden wie in Deutschland wären drei Erden nötig.

Schaut man sich die Entwicklung des Datums des jährlichen Overshoot Days an, so stellt man einerseits fest, dass wir seit Ende der 1960er Jahre über unsere Verhältnisse leben.

Datum des Earth Overshoot Day 1972 bis 2024

Datum des Earth Overshoot Day 1972 bis 2024.  Andererseits zeigt sich, dass seit etwa 10 Jahren der Erdüberlastungstag ungefähr auf Anfang August datiert und somit auf hohem Niveau stagniert. Ergeben sich die Fragen, wo die Ursachen dafür liegen und ob das eine Trendwende sein könnte.

Eine Ursache für die Entwicklung ist die weltweite Zunahme der Nutzung erneuerbarer Energien in vielen Bereichen der Wirtschaft. Die International Renewable Energy Agency (IRENA) hat dazu einen Bericht veröffentlicht. Dieser Bericht belegt den deutlich zunehmenden Anteil am Zubau erneuerbarer Energien weltweit. Im Jahr 2023 betrug der Anteil erneuerbarer Energien an den neu installierten Anlagen 86% – ein Zubau von 473 GW Leistung.

Zubau erneuerbarer Energien

Zubau erneuerbarer Energien

Diese Entwicklung könnte durchaus Zuversicht verbreiten bezüglich der Lösung der Probleme. Dem ist jedoch keineswegs so. Insbesondere reicht es auf keinen Fall aus, den großen Verzicht zu propagieren. In dem genannten Bericht der IRENA werden die Entwicklungen im Detail nachvollzogen und bezüglich des Zeitraums bis 2030 extrapoliert. Dabei zeigt sich, dass lediglich der Zubau von Photovoltaik-Anlagen auf dem erforderlichen Entwicklungspfad liegt, der zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels von Paris nötig ist. Erforderlich ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen auf verschiedenen Gebieten, um die Situation zu verbessern.

umfassende Aktionen erforderlich

umfassende Aktionen erforderlich

Eine Trendwende ist aus der Stagnation des Erdüberlastungstags etwa Anfang August noch nicht eindeutig abzuleiten. Dennoch scheint diese Entwicklung nicht zufällig zu sein, sondern das Ergebnis vielfältiger geplanter Anstrengungen in verschiedensten Bereichen zu sein. Kommen wird eine Trendwende in der Zukunft mit Sicherheit. Die Frage ist nur ob „by design or by desaster“. Der Ressourcenverbrauch muss schnell und planvoll heruntergefahren werden. Ansonsten zwingen uns die planetaren Krisen und Konflikte auf chaotische Art und Weise dazu.

Und wieder neue Wetterrekorde

Der Deutsche Wetterdienst hat heute (2. April 2024) die aktuellen Wetter-Daten zum vorherigen Monat März veröffentlicht.

Demnach erlebte Deutschland 2024 den wärmsten März seit Messbeginn im Jahr 1881. Da schon im Februar 2024 hatte einen Temperaturrekord verzeichnet wurde sind das zwei aufeinanderfolgende Monatsrekorde. So etwas wurde zuletzt 2018 mit dem damaligen April und Mai gemessen. Die Niederschlagsmenge fiel im März 2024 deutlich zu niedrig aus. Das Defizit war am stärksten in Teilen Ostdeutschlands.

Die Märzmitteltemperatur 2024 lag mit 7,5 Grad Celsius (°C) um vier Grad über dem Wert der international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990. Im Vergleich zur aktuellen und wärmeren Vergleichsperiode 1991 bis 2020 betrug die Abweichung 2,9 Grad. Damit wurde der bisherige Rekordwert aus dem Jahr 2017 (7,2 °C) deutlich übertroffen.

Temperaturanomalien Deutschland

Temperaturanomalien Deutschland 1881 – 2024

Auch für Thüringen gab es Rekordwerte

Mit einer Temperatur von 6,8 °C (2,8 °C über dem Mittelwert der internationalen Referenzperiode 1961-1990) erreichte der März 2024 einen Spitzenplatz. Letztmalig wurde ein solcher Wert 1938 ermittelt. Parallel zu dieser außergewöhnlichen Temperatur wurde in der Fläche auch ein deutliches Niederschlagsdefizit von 31 l/m² (52 l/m² im Mittel der internationalen Referenzperiode 1961-1990) registriert. Besonders trocken blieb es im Lee des Thüringer Waldes: Dort lagen die Monatsmengen teilweise unter 10 l/m². Die Sonne übertraf mit 125 Stunden die Norm von 106 Stunden deutlich.

alarmierende Klimadaten von Copernicus

Am 7. Februar 2024 veröffentlichte der Climate Change Service des Copernicus-Dienstes der EU aktuelle Daten zur aktuellen Klima-Situation.

Die veröffentlichten Aussagen sind schlicht alarmierend:

  • Der Januar 2024 war der wärmste Januar seit Beginn der Aufzeichnungen, mit einer durchschnittlichen ERA5-Oberflächentemperatur von 13,14°C, 0,70°C über dem Januar-Durchschnitt von 1991-2020 und 0,12°C über der Temperatur des bisher wärmsten Januars im Jahr 2020.
  • Dies ist der achte Monat in Folge, der für den jeweiligen Monat des Jahres der wärmste in den Aufzeichnungen ist.
  • Der Monat Januar war 1,66°C wärmer als der geschätzte Januar-Durchschnitt für den vorindustriellen Referenzzeitraum 1850-1900.
  • Die globale Durchschnittstemperatur der letzten zwölf Monate (Februar 2023 – Januar 2024) ist die höchste seit Beginn der Aufzeichnungen und liegt 0,64 °C über dem Durchschnitt von 1991-2020 und 1,52 °C über dem vorindustriellen Durchschnitt von 1850-1900.
  • Die Temperaturen in Europa schwankten im Januar 2024 zwischen deutlich unter dem Durchschnitt von 1991-2020 in den nordischen Ländern und deutlich über dem Durchschnitt im Süden des Kontinents.
  • Außerhalb Europas lagen die Temperaturen in Ostkanada, Nordwestafrika, dem Nahen Osten und Zentralasien weit über dem Durchschnitt, während sie in Westkanada, den zentralen USA und dem größten Teil Ostsibiriens unter dem Durchschnitt lagen.
  • El Niño begann sich im äquatorialen Pazifik abzuschwächen, aber die Meereslufttemperaturen blieben im Allgemeinen auf einem ungewöhnlich hohen Niveau.
  • Die durchschnittliche globale Meeresoberflächentemperatur (SST) für Januar über dem extrapolaren globalen Ozean (60°S-60°N) erreichte 20,97°C. Dies ist ein Rekord ­ 0,26°C wärmer als der vorherige wärmste Januar 2016 und der zweithöchste Wert für einen beliebigen Monat im ERA5-Datensatz, nur 0,01°C vom Rekord vom August 2023 (20,98°C) entfernt.
  • Seit dem 31. Januar hat der tägliche SST-Wert für den extrapolaren globalen Ozean (60°S-60°N) neue absolute Rekordwerte erreicht und die bisherigen Höchstwerte vom 23. und 24. August 2023 übertroffen.

Temperatur der Meeresoberfläche über den extrapolaren globalen Ozean (60°S-60°N)
Abbildung: Tägliche Meeresoberflächentemperatur (°C) gemittelt über den extrapolaren globalen Ozean (60°S-60°N) für 2015 (blau), 2016 (gelb), 2023 (rot) und 2024 (schwarze Linie). Alle anderen Jahre zwischen 1979 und 2022 sind mit grauen Linien dargestellt. Datenquelle: ERA5. Copernicus Climate Change Service.

Vierter „Production Gap Report“ veröffentlicht – Globale Öl- und Gasförderung verschärft die Klimakrise

Am 8. November 2023 erschien der vierte „Production Gap Report“ – ein Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, der erstmals 2019 veröffentlicht wurde. Der Bericht zeigt die die Diskrepanz zwischen der von den Regierungen geplanten Produktion fossiler Brennstoffe und dem globalen Produktionsniveau, das mit einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C oder 2°C vereinbar ist. Der Bericht und die zugehörigen Materialien können online unter https://productiongap.org/2023report abgerufen werden.

Quelle: SEI, Climate Analytics, E3G, IISD, and UNEP. (2023). The Production Gap: Phasing down or phasing up? Top fossil fuel producers plan even more extraction despite climate promises. Stockholm Environment Institute, Climate Analytics, E3G, International Institute for Sustainable Development and United Nations Environment Programme.
https://doi.org/10.51414/sei2023.050

Fossile Brennstoffe lassen wichtige Klimaziele im wahrsten Sinne des Wortes in Rauch aufgehen. Es ist höchste Zeit für einen Wandel. Seit ihrer ersten Quantifizierung im Jahr 2019 ist die globale Produktionslücke (Production Gap) weitgehend unverändert geblieben. In den Kernthesen des Reports 2023 wird belegt, dass nach wie vor die Regierungen für das Jahr 2030 planen, mehr als die doppelte Menge an fossilen Brennstoffen zu produzieren, als es für eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C maximal zulässig wäre. Insgesamt führen die Pläne und Prognosen der Regierungen zu einem Anstieg der weltweiten Kohleproduktion bis 2030 und der weltweiten Öl- und Gasproduktion bis mindestens 2050. Dies steht im Widerspruch zu den Verpflichtungen der Regierungen im Rahmen des Pariser Abkommens und kollidiert mit den Erwartungen, dass die weltweite Nachfrage nach Kohle, Öl und Gas ihren Höhepunkt innerhalb dieses Jahrzehnts erreichen wird, auch ohne neue politische Maßnahmen.

Die wichtigsten Erzeugerländer haben sich zwar dazu verpflichtet, Netto-Null-Emissionen zu erreichen und haben auch Initiativen zur Reduzierung der Emissionen aus der Produktion fossiler Brennstoffe ergriffen. Aber keines hat sich verpflichtet, die Kohle-, Öl- und Gasproduktion im Einklang mit der Begrenzung der Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen.

Angesichts der Risiken und Unwägbarkeiten der einschlägigen Verfahren des Climate Engineering müssen die Länder einen nahezu vollständigen Ausstieg aus der Kohleproduktion und -nutzung bis 2040 und eine kombinierte Reduzierung der Öl- und Gasförderung und -nutzung bis 2050 um mindestens drei Viertel gegenüber dem Stand von 2020 anstreben. Darüber hinaus muss ein gerechter Übergang weg von fossilen Brennstoffen den unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Fähigkeiten der Länder Rechnung tragen. Regierungen mit größeren Übergangskapazitäten sollten ehrgeizigere Reduktionen anstreben und bei der Finanzierung des Übergangsprozesses in Ländern mit begrenzten Kapazitäten helfen.

Die Produktionslücke bei fossilen Brennstoffen

Die Produktionslücke bei fossilen Brennstoffen – die Differenz zwischen den Plänen und Prognosen der Regierungen und den Werten, die mit einer Begrenzung der Erwärmung auf 1,5°C und 2°C, ausgedrückt in Einheiten von Treibhausgasemissionen aus der Gewinnung und Verbrennung fossiler Brennstoffe – bleibt groß und vergrößert sich im Laufe der Zeit.

António Guterres, der Generalsekretär der UNO kommentierte diesen Bericht wie folgt:

„Die Regierungen verdoppeln buchstäblich die Produktion fossiler Brennstoffe, und das bedeutet doppeltes Leid für die Menschen und den Planeten. Wir können die Klimakatastrophe nicht bewältigen, ohne ihre Ursache zu bekämpfen: die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Die COP28 muss ein klares Signal aussenden, dass das Zeitalter der fossilen Brennstoffe vorbei ist – dass sein Ende unausweichlich ist. Wir brauchen glaubwürdige Zusagen für den Ausbau der erneuerbaren Energien, den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und die Steigerung der Energieeffizienz bei gleichzeitiger Gewährleistung eines gerechten und ausgewogenen Übergangs.“

Klimaneutralität bis 2045 – unzureichend für 1,5-Grad-Ziel Deutschlands

verbleibendes CO2-Budget Deutschland

verbleibendes CO2-Budget Deutschland


Auf der Website #showyourbudgets wird das verbleibende CO2-Budget berechnet, was zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels noch emittiert werden darf.

Im Paris-Abkommen haben die Länder der Welt versprochen, die Klimaerwärmung auf „deutlich unter zwei Grad“ zu begrenzen und „Anstrengungen zu unternehmen“, die Erwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. Der Weltklimarat IPCC hat berechnet, wie viel CO2 die Menschheit noch emittieren darf, um diese Ziele zu erreichen. Das ist das CO2-Budget der Welt.

Diese globalen CO2-Budgets können auf einzelne Länder gemäß ihrem Anteil an der Weltbevölkerung verteilt werden. Mit diesen nationalen CO2-Budgets und den aktuellen Emissionen lässt sich dann berechnen, wann ein Land Netto-Null-Emissionen erreichen muss, wenn man von einem linearen Reduktionspfad ausgeht.

Die Grafik für Deutschland zeigt, dass für die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% die Klimaneutralität bis 2029 erreicht sein muss. Die Vorgabe des Klimagesetzes die Klimaneutralität für Deutschland bis 2045 zu erreichen reicht nur für eine Begrenzung der Erwärmung auf 1,8 Grad und das auch nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 50%.

Deutschland erreicht damit seine Verpflichtung gegenüber dem Pariser Klimaabkommen nicht.

Sichere und gerechte Erdsystemgrenzen

Viele Menschen fühlen sich aktuell in ihrer gewohnten Lebensweise bedroht: Heißer Krieg in der Ukraine und sich abzeichnende Instabilität der bisherigen USA-dominierten Weltordnung, Inflation und zunehmender Druck auf den Sozialstaat, Klimakrise und die ambivalente politische Reaktion darauf, Unsicherheit angesichts von Klientelpolitik, teils lähmende Zukunftsangst und daraus folgendes stoisches Beharren auf dem Status Quo einschließlich verbreiteter Wut auf Aktionen zivilen Ungehorsams, wachsende Ungleichheit weltweit wie auch national, Probleme im Zusammenhang mit Migration, Ungerechtigkeit bezüglich der Lebenswirklichkeiten zukünftiger Generationen, …

Das ist sicher nur eine kleine Anzahl von empfundenen Bedrohungen, die jeder für sich beliebig fortsetzen könnte und sich in oftmals erst als Reaktion auf andere, tieferliegende Krisen entwickelt haben. Nun nimmt jeder Mensch die einzelnen Bedrohungen ganz individuell wahr und wichtet sie damit auch ganz individuell. Eine Frage wäre damit an dieser Stelle, ob es rationale, wissenschaftlich begründbare Kriterien gibt, die es gestatten, den Grad der Bedrohung, die Dringlichkeit der Bewältigung der jeweiligen Krise festzustellen.
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Jenaer Umwelttag 2023

Gestern fand im Rahmen des Kinder- und Familienfests auf der Rasenmühleninsel auch der Jenaer Umwelttag 2023 statt. Hier hatten sich das Klimanetz Jena und das Klimanotstandszentrum mit einem gemeinsamen Stand beteiligt.

Stand des Klimanotstandszentrums und des Klimanetz Jena

Der Schwerpunkt in diesem Jahr lag auf dem Thema Migration, die durch die Klimakrise immer stärker angetrieben wird.
Die politischen Reaktionen zum Beispiel in den USA und in Deutschland sind jedoch statt auf Entschärfung der Ursachen lediglich auf Abschottung gerichtet.
Auf der Waage ist die Abstimmung zu der Frage zu sehen, ob man sich schon einmal Gedanken gemacht habe wohin man aus Jena angesichts einer möglichen Klima- oder Umweltkatastrophe selber fliehen wolle. Der Waage-Teller neigt sich auf dem Bild zur „Nein“-Seite – es gab jedoch auch viele Besucher, welche die Frage mit „Ja“ beantworteten und auf der unten erkennbaren Weltkarte mit einer Nadel ihr persönliches Fluchtziel kennzeichneten.
Am Ende waren die meisten Nadeln im skandinavischen Raum verortet, so viele, dass der Platz dafür auf der Karte nicht mehr reichte.
Ob die Besucher angesichts dieser Situation auch darüber nachgedacht haben, was wohl die Skandinavier dazu sagen würden …

Klimaaktionsplan – Jena klimaneutral spätestens ab 2035

Im Juli 2021 beschloss der Jenaer Stadtrat, dass Jena bis 2035 klimaneutral werden soll. Zur Umsetzung dieses Beschlusses wurde das Klima-Büro target GmbH aus Hannover beauftragt, bis September 2022 einen Klimaaktionsplan zu erstellen. Darin soll ein Szenario einschließlich der erforderlichen Maßnahmen entwickelt werden, deren Umsetzung zur Klimaneutralität Jenas bis 2035 führt. Der erste Entwurf wurde im September 2022 vorgestellt, der endgültige Entwurf liegt mittlerweile vor und muss nun durch den Stadtrat beschlossen werden. Der Klimaaktionsplan kann auf der Website des Klimaentscheids Jena eingesehen werden. Wichtige ausgewählte Aspekte des Klimaaktionsplans sind nachfolgend dargestellt.

#1: Einberufung von Klima-Bürgerräten

Bürgerräte
Ein Bürger:innenrat ist eine zufällig ausgeloste Versammlung mit dem Ziel, alle Perspektiven auf ein Thema – in dem Fall Klimaschutz vor Ort – sichtbar zu machen. Auf Grundlage fundierter Information wird diskutiert. Der Prozess wird von neutraler Seite moderiert, die Ergebnisse genau festgehalten. Denn diese sollen die Grundlage für weitere Entscheidungen zum Thema werden. Echte Bürger:innenbeteiligung also! Das Konzept ist nicht neu: In Irland wurde damit sogar eine Verfassungsänderung vorbereitet. Auch in Deutschland tagte bereits 2021 ein Bürgerrat zum Thema Klimakrise.
Der Klima-Aktionsplan sagt: „Ziel der Maßnahme ist es, eine Versammlung zufällig ausgeloster Bürger einzuberufen, die in ihrer Zusammensetzung ein möglichst gutes Abbild der Bevölkerung darstellen sollen. Bei der Auslosung müssen daher Kriterien wie Geschlecht, Alter, Bildung, Wohnort und Migrationshintergrund berücksichtigt werden. Die ausgelosten Bürger werden eingeladen, am Bürgerrat teilzunehmen. Die Arbeit […] muss durch die Bereitstellung von Fachinformation und wissenschaftlichen Erkenntnissen (z. B. durch Fachvorträge zu Beginn) untermauert und von einer zielgerichteten Moderation begleitet werden. Das Ergebnis müssen gemeinsame Handlungsempfehlungen sein, die dann an den Stadtrat übergeben werden.“ (S. 26)

#2: Verbesserung der Fuß- und Radverkehrsinfrastruktur


Themenfeld: Klimaneutrale Mobilität
Der KAP baut hier auf dem Radentscheid auf: Auf dessen Initiative wird der „Radverkehrsplan 2035+“ erarbeitet. Zu wenig Beachtung findet aber bislang der Fußverkehr, der gerade in Jena große Bedeutung unter den Mobilitäts-formen hat. Kurze Wege brauchen keine Räder und Motoren.
Der Klima-Aktionsplan sagt: „Um die Verkehrsteilnehmer zum Umstieg auf Rad- und Fußverkehr zu motivieren, bedarf es […] einer Verbesserung der vorhandenen Infrastruktur. Dadurch wird einerseits die Attraktivität des Rad- und Fußverkehrs gesteigert, andererseits tragen infrastrukturelle Verbesserungen auch zu einer erhöhten Verkehrssicherheit bei.“ Und: „Radfahrer und Fußgänger [müssen] bei der Verkehrsplanung prioritär behandelt werden.“ (S. 79)

#3: Offensive bei erneuerbaren Energien

erneuerbare Energien
Themenfeld: Klimaneutrale Energieversorgung
Wir brauchen Energie aus erneuerbaren Quellen, wenn wir Klimaneutralität wollen. Die Kapazitäten dafür sind auch in Jena da, selbst wenn es etwas eng ist im Saaletal. Gleich in mehreren Maßnahmen wird der Ausbau von Solarenergie festgeschrieben, wie auch die Prüfung von Windkraftanlagen. Um 2035 klimaneutral zu werden, beziffert der KAP den Bedarf von 36 ha für Freiflächen-Photovoltaik und 10 Windkraftanlagen (je 3 MW Leistung).
Um die Potenziale der privaten Dächer besser auszuschöpfen, sollen die Hürden für Besitzer:innen unter anderem durch ein Pachtmodell klein wer-den: „Die Investition in die Anlage wird im Falle eines Pachtmodells nicht durch den Hauseigentümer getätigt, sondern durch die Stadtwerke. Die Stadtwerke als Investor verpachten die Anlage dann an die Hauseigentümer, die die Anlage betreiben und den Strom selbst nutzen können.“ (S. 117)
Der KAP lässt nun zusätzlich zu den Flächen, die bereits auf ihre Eignung geprüft werden, auch Gebiete entlang der Saale sowie Autobahn- und Zug-trassen analysieren. Auch die Mitnutzung landwirtschaftlicher Flächen („Agri-PV“) ist vorgesehen. Klar ist aber auch: „Aufgrund des begrenzten Flächenangebots sollte die Stadt in diesem Zusammenhang auch unterstützend bei der Flächenermittlung im Umland tätig werden.“ (S. 115)

#4: Förderung klimafreundlicher Ernährung in städtischen Einrichtungen

klimafreundliche Ernährung
Themenfeld: Klimafreundliche Lebensweise
Ernährung spielt eine gewichtige Rolle in der Klimabilanz. Nicht nur (aber auch!) aus tierethischen Gründen, sondern weil der Ressourcenverbrauch tierischer Nahrungsmittel an Landfläche, Wasser und Treibhausgasemissionen die Grenzen des Wachstums längst überschritten hat, braucht es hier einen Wandel. Doch nicht nur mehr Pflanzliches muss auf den Tisch, auch sollten wir (wieder) mehr Saisonalität und Regionalität wagen!
Der Klima-Aktionsplan sagt hier: „Ausweitung des veganen/vegetarischen Angebots oder eine Reduktion des Angebots von tierischen Produkten“; „Insbesondere in den Schulen besteht die Möglichkeit der aktiven Teilhabe der Nutzergruppen (z. B. durch eine Einbindung von Schulköchen oder Arbeitsgemeinschaften mit den Schülern)“ (S. 121)
Und der KAP greift eine Idee, die auch in Jena angekommen ist: Die eines Ernährungsrates. Wenn dich das Thema interessiert, melde dich gern bei der Mailingliste des „Stammtischs Nachhaltige Ernährungswende Jena“ an, aus dem heraus die Gründung eines Ernährungsrates diskutiert wird (einfach per mail an ernaehrungsstammtisch-jena-subscribe@lists.riseup.net)

#5: Nutzung von Flussthermie für einen Teil der Fernwärme

Flussthermie
Themenfeld: Klimaneutrale Energieversorgung
Bislang verbrennt im Burgauer Kraftwerk fossiles Erdgas für die Fernwärme der Stadt. Im KAP wird zusammenfassend kommentiert: „Die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung ist eine der wichtigsten Stellschrauben zur Erreichung der Klimaneutralität.“ Mit anderen Worten: Wir müssen weg vom Gas!
Der KAP schlägt hier vorsichtig eine Variante vor, wie es gehen könnte: „Erste Untersuchungen zeigen, dass die […] Potenziale besonders hinsichtlich der Nutzung der Flussthermie der Saale mittels Wärmepumpen erheblich sind. Natur-, Umwelt- und Gewässerschutz bilden elementare Leitplanken der tatsächlichen Nutzung und bedürfen Untersuchungen im Rahmen entsprechender Genehmigungsverfahren.“ (S. 106)
Tatsächlich handelt es sich bei Flussthermie um eine in Deutschland noch wenig etablierte Technik. Am 10. Februar 2023 kam bei NANO (3Sat) ein Beitrag, der sich mit genau dieser Frage befasste am Beispiel der Weißen Elster in Neumühle und in Gera. Hier ist der Link auf die Sendung. Der Beitrag zur Flusswärme läuft etwa von der Sendeminute 6 bis 13. Vielleicht wird Jena hier eine Vorreiterin – aber die gebotene Vorsicht macht es notwendig, auch andere Konzepte parallel zu erarbeiten, um auch sicher und bald den Abschied von einer geopolitisch und klimabezogen nicht mehr tragbaren Energieform feiern zu können.

#6: Finanzielle Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs

öffentlicher Nahverkehr
Themenfeld: Klima-neutrale Mobilität
Hier lautet die Hauptaussage im KAP: Öffentlicher Nahverkehr muss günstiger sein als die Nutzung des Autos! Wichtig ist aber ebenso, dass das Angebot an Öffis auch entsprechend ausgebaut wird, unter anderem durch:

  • Ausbau des Liniennetzes
  • Investition in Infrastruktur (z. B. Haltestellen)
  • Einbindung alternativer Bedienungsformen („on-demand“-Verkehre)
  • Clevere Verknüpfung verschiedener Verkehrsarten an Mobilitätsstationen (ÖPNV, Rad-, Fußverkehr, Car-Sharing)

Ohne Frage gehören zu den Anreizen für bessere ÖPNV-Nutzung im Gegenzug auch jene Faktoren, die den Autoverkehr zurückdrängen. Im engen Jena ist insbesondere der hohe Flächenbedarf parkender Autos (denn die Fahrzeuge sind in der aktuellen Nutzungsform zu einem übergroßen Teil der Zeit doch eher „Steh“zeuge) ist hierbei ein Faktor, der einer Verkehrswende und generell lebensnäherer Nutzung des Stadtraumes bisher im Wege steht. Hier soll gegengesteuert werden durch Verknappung der Stellplätze und Anpassung der Parkgebühren. Letztere sollen zukünftig mit der Preisentwicklung im ÖPNV gekoppelt werden, damit die Wahl für umweltfreundlichen Verkehr sich stets preislich auszahlt. (S. 74, 81) Nicht im KAP steht jedoch irgendeine Form von Verbot, auch werden Ausnahmeregelungen für Menschen mit Behinderungen sowie der Faktor Einkommensstärke für Vergünstigungen klar benannt, um keine soziale Ungleichheiten zu schaffen. Teilhabe und Zugang zur Innenstadt für alle wird es weiterhin geben!

#7: Klimaneutrale Gebäude und Quartiere

klimaneutrale Gebäude und Quartiere
Themenfeld: Klimaneutrale Gebäude und Quartiere
Thema Wärme: Wie wäre es, wenn wir davon einfach weniger brauchen, weil unsere Häuser sie „für sich“ behalten? Jena steht in Sachen energetischer Gebäudesanierung nicht schlecht da – aber für das ambitionierte Ziel, bis 2035 klima-neutral zu werden, müssen alle Potentiale ausgeschöpft werden.
Eine ganze Palette von Maßnahmen im KAP soll dafür sorgen, dass im Gebäudebestand und auch in Neubauten so wenig wie möglich Energie „verheizt“ wird. Dazu sollen z. B. zehn Modellquartiere ausgewählt und saniert werden, die in Alter und Zustand jeweils homogen sind und sich dadurch gut für integrierte Lösungen eignen. (S. 37) Zudem soll es in Zusammenarbeit mit den Verbraucherzentralen eine aktive, kontinuierliche Beratungskampagne zum Thema energetische Sanierungen für Hausbesitzer:innen geben.
Für neu errichtete Gebäude sollen Bauleitplanung und Mindeststandards angepasst werden: „Ziel dieser Maßnahme ist es, nur noch klimaneutrale Neubauten zu errichten, die den ökologischen Einfluss von Neubauten auf ein Minimum reduzieren.“ (S. 41)

#8: Reduktion der Lebensmittelverschwendung

keine Verschwendung von Lebensmitteln
Themenfeld: Klimafreundliche Lebensweise
„Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft werden in Deutschland jährlich ca. 11 Millionen Tonnen an Lebensmitteln entsorgt. Neben der Art der Ernährung (regional, saisonal, ökologisch), nimmt diese Maßnahme daher eine wesentliche Rolle hinsichtlich einer klimafreundlichen Ernährung ein.“ (S. 122)
Neben einer Öffentlichkeitskampagne soll laut KAP geprüft werden, ob Tausch- und Sharingzentren in der Stadt und den Stadtteilen aufgebaut werden können. Auch geprüft werden soll, wie der Einzelhandel und die Gastronomie zum Spenden überschüssiger Lebensmittel verpflichtet werden können. Auch die Unterstützung lokaler Initiativen wie Foodsharing und konkret eines Foodsharing-Cafés werden vorgeschlagen.

#9: Regionaler Ökostromtarif für Unternehmen

erneuerbare Energie
Themenfeld: Klimaneutrale Unternehmen
Die Wirtschaft spielt eine große Rolle in der Klimabilanz. Wie sich lokale Unternehmen aufstellen, liegt nur bedingt in der Befugnis der Stadt – hat aber einen wichtigen Effekt. Darum sind im Themenfeld auch vor allem indirekte Maßnahmen zu finden, z. B. das Einrichten einer Klima-Servicestelle für Unternehmen: „Um eine breite Wissensbasis zu schaffen, wie sich Unternehmen künftig aufstellen können, sollte der Fokus dieser Stelle auf Vernetzung und Wissenstransfer liegen.“ (S. 48)
Sehr konkret ist hingegen der Vorschlag, einen eigenen Ökostromtarif auf den Weg zu bringen: „Der Tarif muss dabei so ausgestaltetet sein, dass z. B. durch einen Förderbeitrag, der auf den spezifischen Strompreis aufgeschlagen wird, Investitionen in regionale Erneuerbare-Energien-Anlagen getätigt werden.“ Ziel ist dabei, die Unternehmen „[…] auf dem Weg zur Klimaneutralität zu unterstützen […].“ (S. 51)

#10: Optimierung der Stadt-Umland-Beziehungen

Beziehungen zum Umland
Themenfeld: Strategische Maßnahmen
Jena ist eng. Das ist nicht nur bei der notwendigen Verkehrswende eine Herausforderung, sondern auch bei der Bereitstellung grüner Energie. Für Solar- und Windkraft ist Fläche nötig! Der KAP betont hier: „Aufgrund des begrenzten Flächenangebots im Stadtgebiet von Jena, kann eine regionale erneuerbare Energieerzeugung nur in Kooperation mit dem Umland erfolgen. Darüber hinaus gibt es weitere klimarelevante Schnittstellen, die für das Ziel Klimaneutralität berücksichtigt werden müssen (z. B. Mobilität und Pendlersituation).“
„Die Maßnahme zielt darauf ab, eine notwendige Kooperation […] zu verdeutlichen. Dies ist als Querschnittsaufgabe in allen relevanten Themengebieten zu sehen. Im Umland werden Erneuerbare-Energien-Anlagen realisiert, deren Strom dann zum Beispiel für ein regionales Ökostromangebot in der Stadt genutzt werden kann. Im Gegenzug unterstützt die Stadt Jena das Umland durch Anreize und Vergünstigungen […]“ (S.31)
Ziel ist es also, eine Win-Win-Situation herzustellen, in der sowohl die Stadt als auch das Umland von der Zusammenarbeit profitieren und sich anhand der unterschiedlichen Bedingungen und Bedürfnissen ergänzen können.

#11: Tempo-Reduzierung im Straßenverkehr

Temporeduzierung
Themenfeld: Klimaneutrale Mobilität
Im Individualverkehr wird viel CO2 emittiert, dies muss reduziert werden: „Eine wirksame Maßnahme dazu ist die Durchsetzung von Temporeduzierungen. Instrumente wie die Einführung von temporeduzierten Bereichen (z. B. Tempo-30-Zonen) sind in Jena bereits gängige Praxis. Es gilt, im Rahmen dieser Maßnahme weitere Zonen der Stadt im Hinblick auf Temporeduzierung und Verkehrsberuhigung zu identifizieren und umzusetzen.“ (S. 86)
Der KAP begründet, dass Temporeduktion neben dem geringeren Schadstoffausstoß auch in anderer Hinsicht die Lebensqualität verbessert: „Temporeduzierungen und Verkehrsberuhigungen wirken sich nicht nur reduzierend auf Treibhausgas-, sondern auch auf Lärmemissionen aus.“ (S. 86)
Weitere Nebeneffekte: Weniger gefährliche Verkehrssituationen – auch für alle nicht autofahrenden Verkehrsteilnehmenden; eine angenehmere Aufenthaltssituation im Straßenbereich – und ein Anreiz mehr, auf andere Verkehrsarten umzusteigen!

#12: Bessere Anbindung an Regional- und Fernverkehr

Anbindung an Regional- und Fernverkehr
Themenfeld: Klimaneutrale Mobilität
Mit dem Auto nach Jena zu pendeln ist für viele Menschen nötig, aber für das Verkehrssystem der Stadt wie auch für die Klimabilanz nicht zuträglich. Um hier möglichst vielen Menschen den Umstieg auf die Schiene zu ermöglichen, soll Jena besser an Regional- und Fernverkehr angebunden werden: „Bezogen auf den Regionalverkehr erfordert das eine engere Taktung auf den wichtigen Nord-Süd- (Naumburg-Saalfeld) und Ost-West-Verbindungen (Weimar-Hermsdorf), auch an den Wochenenden und in den Nachtstunden.“ (S. 91) Auch im Fernverkehr und für regionale und Fernbuslinien solle sich die Stadt um einen besseren Anschluss bemühen.
Wichtiges Stichwort hierbei: Vertaktung – also möglichst aufeinander abgestimmte Ankunfts- und Abfahrtszeiten im Nah- und Regional/Fernverkehr, damit die sogenannten „intermodalen Wegketten“, gestaffelte Fahrten mit verschiedenen Verkehrsmitteln, durch wegfallende Wartezeiten verkürzt und somit attraktiver werden.

#13: Förderung regionaler Produkte und Dienstleistungen

regionale Erzeugnisse und Dienstleistungen
Themenfeld: Klimafreundliche Lebensweisen
Gemüse aus Spanien, Äpfel aus Neuseeland? Warum nicht aus Dornburg oder Thalbürgel? Es gehört zu den Absurditäten unserer Zeit, dass unsere Produkte mehr von der Welt sehen als wir. Per LKW und Flugzeug kommt ein großer Teil unseres Essens von fern her, statt auf den umliegenden Äckern zu wachsen. Die niedrigen Transportkosten machen es möglich – nicht einbezogen sind aber die Kosten der Folgeschäden für das Weltklima. Dann geht die Rechnung nämlich schon lange nicht mehr auf.
Der KAP meint hierzu: „Wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen und klimafreundlichen Lebensweise ist es, Produkte zu konsumieren (und Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen), die regional erzeugt (bzw. angeboten) werden. Insbesondere im Bereich der Lebensmittelproduktion gibt es hier viele Ansatzpunkte […].“ (S. 123) Die Stadt könne hierzu z. B. die Standgebühren von regional-ökologischen Anbieter:innen reduzieren und Direktvermarktung fördern.
„Zeitgleich ist es wichtig, lokale Dienstleistungen zu fördern/bevorzugen, um die heimische Wirtschaft zu stärken, aber natürlich auch, um lange Fahrtwege zu vermeiden. […] Eine sinnvolle Ergänzung können zudem finanzielle Anreize sein, z. B. durch Gutscheine für regional/ökologisches Einkaufen […] oder durch ein regionales Klimaschutz-Gutscheinbuch […].“

#14: Förderung von Stadtgrün und Aufenthaltsqualität

Klimaanpassung - Stadtgrün fördern
Themenfeld: Klimafreundliche Lebensweisen
Hier gehen Klimaschutz und -Anpassung an die folgen steigender Temperaturen Hand in Hand: Grünflächen in der Stadt tragen signifikant zur Abkühlung bei. Sie verdunsten Wasser und spenden Schatten, was dem (gerade in Jena starken) Wärmeinseleffekt im städtischen Raum entgegenwirkt.
„Dies umfasst nicht nur ästhetische Aspekte in der Stadtgestaltung, sondern hat mit der Entsiegelung von Flächen auch gesundheitliche, klimarelevante und lebensqualitative Einflüsse.“ (S. 125) Explizit soll die Pflege städtischer Grünflächen durch reduziertes Mähen und Förderung der Biodiversität angepasst werden.
Die Maßnahme zur Steigerung der Wohn- und Aufenthaltsqualität geht über diese direkten Effekte noch deutlich hinaus und nennt unter anderem eine Reihe an Maßnahmen, um die Stadtteile abseits des Zentrums attraktiver zu machen (und in der Folge das Pendeln in die Stadt zu reduzieren): „Förderung der stadtteilbezogenen Arbeit von Initiativen, […] Unterstützung/Schaffung von Angeboten wie Stadtteil- und Reparaturcafés, Vernetzungsmöglichkeiten, Gemeinschaftsräumen, Selbsthilfegruppen; Sicherung wichtiger Dienstleistungen im Quartier (Waren des täglichen Bedarfs, Arztpraxen, Pflegedienst, Apotheke, Kitas, Schulen); Schaffung von Gemeinschaftsflächen: Spielflächen, Bewegungsräume, Quartiersgärten“ (S. 130)

#15: Monitoring-Konzept zur Überprüfung der Umsetzung

Monitoring und Anpassung
Themenfeld: Strategische Maßnahmen
Alle Ziele helfen nichts, wenn niemand sie umsetzt! Darum ist im Klima-Aktionsplan ein jährliches Monitoring vorgesehen, also die Überprüfung, dass die Zwischenziele erreicht werden.
„Ferner müssen, ähnlich wie im Bundes-Klima-schutzgesetz (KSG), Prüfkriterien erarbeitet werden, die greifen, sobald die im Klima-Aktionsplan formulierten Ziele verfehlt werden. […] Dabei ist ein sektorales Monitoring auf Grundlage der im Klimaaktionsplan ausgewiesenen Etappenziele (2025, 2030) anzustreben.“ (S. 19) Werden Ziele in einem Bereich verfehlt, „muss innerhalb einer festgesetzten Frist von wenigen Monaten ein Sofortprogramm vorgelegt werden, um das Umsetzungs-defizit zu beseitigen.“ Hier wird also eine Rückkopplung eingebaut, die sicherstellt, dass wir auf dem richtigen Weg bleiben, nämlich Richtung Klimaneutralität 2035!

Wer alle weiteren Maßnahmen und Hintergründe nachlesen will, kann dies hier tun.

COP 27 in Ägypten, Zweijahresgutachten 2022 in Berlin – und nun?

Graffito an der Saalbahn bei Jena-Zwätzen

Graffito an der Saalbahn bei Jena-Zwätzen

Das Graffito habe ich am Sonntag in Zwätzen entdeckt. Dort wurde im Rahmen einer von der Stadt Jena geförderten Aktion eine Lärmschutzwand der Saalbahn mit Graffiti gestaltet. Das Bild symbolisiert für mich sehr schön die momentane Situation bezüglich der Klimakrise: Das Eis schmilzt unter der Hand weg, die Zukunft wird verspielt und der Spieler schaut ganz verdattert, was er da angerichtet hat.
Gleichzeitig findet in Ägypten die jährliche UN-Klimakonferenz statt – inzwischen die 27. Festgestellt wird dort wie auch bei den vorherigen Konferenzen, dass die Ziele, die sich die Länder gestellt haben in der Summe nicht ausreichen, um das Ziel der Pariser Klimakonferenz von 2015 zu erreichen. Die globale Klimaerwärmung wird nach bisherigem Stand der Dinge im Jahr 2100 wohl etwa 2,4 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau betragen. Erste Stimmen aus der Klimaforschung bekennen, dass das 1,5-Grad-Ziel wohl nicht mehr erreichbar ist, egal welche Anstrengungen unternommen werden.
Das trifft explizit auch auf die Nicht-Erreichung der Klimaziele in Deutschland zu. Im Zweijahresgutachten 2022 des Expertenrates für Klimafragen lautet die zentrale Aussage „Zielerreichung 2030 fraglich ohne Paradigmenwechsel“.
Auf der anlässlich der Vorstellung des Gutachtens stattgefundenen Pressekonferenz sagte der Vorsitzende des Expertenrates, Hans-Martin Henning:

„Wir sehen, dass ein nahezu kontinuierlicher Zuwachs der Aktivitäten in allen Sektoren einschließlich Rebound-Effekten einer technisch möglichen stärkeren Absenkung der Emissionen entgegenwirkte […] Effizienzgewinne wurden also beispielsweise durch das allgemeine Wirtschaftswachstum, größere Wohnfläche oder gestiegene Transportleistungen konterkariert.”

Ratsmitglied Thomas Heimer äußerte:

„Die jährlich erzielte Minderungsmenge müsste sich im Vergleich zur historischen Entwicklung der letzten 10 Jahre mehr als verdoppeln. Im Industriesektor wäre etwa eine 10-fache und bei Verkehr sogar eine 14-fache Erhöhung der durchschnittlichen Minderungsmenge pro Jahr notwendig.“

In der im Gutachten durchgeführten Analyse der Entwicklungen in der jüngeren Vergangenheit „[…] werden die Jahre von 2000 bis 2021 betrachtet, in denen eine Treibhausgasemissionsminderung um 26,6 % bzw. temperaturbereinigt um 27,3 % stattgefunden hat. Dabei hat über den gesamten Zeitverlauf vor allem die Wirtschaftsentwicklung emissionssteigernd gewirkt.“
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ausgetrocknete Ilm bei Oettern

Am vergangenen Sonntag (21. August 22) unternahm ich eine kleine Fahrradtour auf dem Ilm-Radweg. In Mellingen am Wehr war die Ilm als solche noch erkennbar, wenngleich nur ein kleines Rinnsal über das Wehr floss. Etwas weiter Ilm aufwärts in Oettern war von der Ilm nichts zu sehen, die Brücke führte über einen Schottergraben. Ein paar Hundert Meter weiter flussaufwärts gibt es eine alte Brücke, von der aus ich diese Fotos gemacht habe:

ausgetrocknete Ilm – Blick in Richtung Buchfahrt – 21.08.22

ausgetrocknete Ilm - Blick in Richtung Oettern - 21.08.22

ausgetrocknete Ilm – Blick in Richtung Oettern – 21.08.22

Im Hintergrund ist jeweils noch eine größere Pfütze zu erkennen, ansonsten ist die Ilm trocken. Ich kann mich erinnern, dass bereits 2018 das Flussbett der Ilm etwas oberhalb von Buchfahrt ähnlich trockengefallen war. Aber da war zwischen den Steinen immer noch etwas Wasser zu sehen. Ich weiß nicht, was solch ein Zustand längerfristig beispielsweise für den Fischbestand in der Ilm bedeutet. Mit Sicherheit aber nichts Gutes.
Die Frage wäre, inwiefern solche Zustände eines Wasser-Defizits in Zukunft häufiger auftreten oder sich gar hin zu einem „Normal“-Zustand entwickeln werden. Dazu sei an dieser Stelle auf langfristige Messungen verwiesen.
Am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) wurde ein sogenannter Dürremonitor entwickelt. Hier werden täglich flächendeckende Informationen zur Bodenfeuchte in Deutschland erfasst und veröffentlicht. Als Dürre wird dabei die statistische Abweichung der Bodenfeuchte vom langjährigen Zustand (Zeitraum 1951-2015) im jeweiligen Monat bezeichnet. Die Daten werden für zwei Tiefen veröffentlicht – 25 cm und 1,8 m Tiefe. Die Werte für die Tiefe von 1,8 m beschreiben dabei eher einen längerfristigen Trend während weiter an der Oberfläche eher saisonale Abweichungen erkennbar sind.
Die Grafik für Thüringen, bezogen auf 1,8 m Tiefe und den 22. August 2022 zeigt für den Bereich der Ilm im Kreis Weimarer Land eine tiefrote Färbung. Dies entspricht in der Bewertung einer „außergewöhnlichen Dürre“.

Dürremonitor Helmhltz-Zentrum

Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Thüringen


Die unzureichende Bodenfeuchte ist also offensichtlich ein langfristiger Effekt – letztlich eine Auswirkung der Klimakrise.
Die Tagesschau veröffentlichte am 26. August 22 ebenfalls einen Beitrag zu diesem Problem.
Die Saale in Jena ist durch die Staustufen im Oberlauf von einer solchen extremen Situation nicht betroffen – bleibt die Frage, wie lange noch.