Archiv der Kategorie: Allgemeines

alarmierende Klimadaten von Copernicus

Am 7. Februar 2024 veröffentlichte der Climate Change Service des Copernicus-Dienstes der EU aktuelle Daten zur aktuellen Klima-Situation.

Die veröffentlichten Aussagen sind schlicht alarmierend:

  • Der Januar 2024 war der wärmste Januar seit Beginn der Aufzeichnungen, mit einer durchschnittlichen ERA5-Oberflächentemperatur von 13,14°C, 0,70°C über dem Januar-Durchschnitt von 1991-2020 und 0,12°C über der Temperatur des bisher wärmsten Januars im Jahr 2020.
  • Dies ist der achte Monat in Folge, der für den jeweiligen Monat des Jahres der wärmste in den Aufzeichnungen ist.
  • Der Monat Januar war 1,66°C wärmer als der geschätzte Januar-Durchschnitt für den vorindustriellen Referenzzeitraum 1850-1900.
  • Die globale Durchschnittstemperatur der letzten zwölf Monate (Februar 2023 – Januar 2024) ist die höchste seit Beginn der Aufzeichnungen und liegt 0,64 °C über dem Durchschnitt von 1991-2020 und 1,52 °C über dem vorindustriellen Durchschnitt von 1850-1900.
  • Die Temperaturen in Europa schwankten im Januar 2024 zwischen deutlich unter dem Durchschnitt von 1991-2020 in den nordischen Ländern und deutlich über dem Durchschnitt im Süden des Kontinents.
  • Außerhalb Europas lagen die Temperaturen in Ostkanada, Nordwestafrika, dem Nahen Osten und Zentralasien weit über dem Durchschnitt, während sie in Westkanada, den zentralen USA und dem größten Teil Ostsibiriens unter dem Durchschnitt lagen.
  • El Niño begann sich im äquatorialen Pazifik abzuschwächen, aber die Meereslufttemperaturen blieben im Allgemeinen auf einem ungewöhnlich hohen Niveau.
  • Die durchschnittliche globale Meeresoberflächentemperatur (SST) für Januar über dem extrapolaren globalen Ozean (60°S-60°N) erreichte 20,97°C. Dies ist ein Rekord ­ 0,26°C wärmer als der vorherige wärmste Januar 2016 und der zweithöchste Wert für einen beliebigen Monat im ERA5-Datensatz, nur 0,01°C vom Rekord vom August 2023 (20,98°C) entfernt.
  • Seit dem 31. Januar hat der tägliche SST-Wert für den extrapolaren globalen Ozean (60°S-60°N) neue absolute Rekordwerte erreicht und die bisherigen Höchstwerte vom 23. und 24. August 2023 übertroffen.

Temperatur der Meeresoberfläche über den extrapolaren globalen Ozean (60°S-60°N)
Abbildung: Tägliche Meeresoberflächentemperatur (°C) gemittelt über den extrapolaren globalen Ozean (60°S-60°N) für 2015 (blau), 2016 (gelb), 2023 (rot) und 2024 (schwarze Linie). Alle anderen Jahre zwischen 1979 und 2022 sind mit grauen Linien dargestellt. Datenquelle: ERA5. Copernicus Climate Change Service.

Digital-Gipfel 2023 in Jena

Unter dem Thema „Digitale Transformation in der Zeitenwende. Nachhaltig. Resilient. Zukunftsorientiert.“ findet der Digital-Gipfel der Bundesregierung am 20. und 21. November 2023 in Jena statt.

„Deutschland befindet sich in einer Zeitenwende. Multiple Herausforderungen nachhaltig zu bewältigen, aber auch die Resilienz zu stärken sowie eine bessere Zukunftsfähigkeit zu schaffen, ist heute ohne Digitalisierung nicht denkbar.“ [1] So steht es auf der Website des Digitalgipfels. Leider wird der Begriff der Zeitenwende dort nicht näher erläutert, wie auch der gesamte dort zu lesende Text eher eine Ansammlung von Schlagwörtern ist, die alles und nichts sagen.

Es gibt in der IT einen schon recht alten, aber nach wie vor gültigen Spruch: „Mit einem Rechner löse ich die Probleme, die ich ohne ihn nicht hätte.“ Wenn heute der Begriff der Digitalisierung in aller Munde ist, so erscheinen die Aussagen dazu vielfach in dem gleichen Licht wie der zitierte Spruch – es geht einfach nur um Digitalisierung an sich und als solche. Zweck und Sinnhaftigkeit der Digitalisierung bezogen auf die anstehenden akuten Probleme unserer Gesellschaft werden kaum bis gar nicht hinterfragt. Digitale Techniken können ein wunderbares Werkzeug in vielen Bereichen unserer Gesellschaft sein, aber eben nur ein Werkzeug. Wie jedes Werkzeug muss es auf etwas angewandt werden, sonst ist es weitgehend nutzlos. Und es ist dabei sehr wohl ein grundlegender Unterschied, ob es zur Bewältigung der komplexen Herausforderungen des Erhalts des Lebensraums Erde dient, oder zur Steigerung des Profits global agierender Tech-Konzerne durch Manipulation vieler Nutzer der sogenannten sozialen Medien.

Der Zweck der Digitalisierung muss den Zielen der sozial-ökologischen Transformation der Gesellschaft untergeordnet sein. Diese Forderung bezieht sich sowohl auf den mit der Digitalisierung unmittelbar verbundenen Ressourcenverbrauch als auch auf die daraus erwachsenden gesellschaftlichen und ökologischen Konsequenzen.

ökologischer Fußabdruck der Digitalisierung

Produktion und Betrieb digitaler Geräte sind inzwischen für einen nicht unerheblichen Teil des weltweiten Materialverbrauchs und der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Während die Prozessoren immer leistungsfähiger und energiesparsamer werden, konterkariert die schiere Anzahl von Smartphones, Laptops, intelligenten Geräten sowie deren zunehmende Nutzung und die damit einhergehende enorm wachsende Zahl digitaler Infrastrukturen, einschließlich der wie Pilze aus dem Boden schießenden Rechenzentren, das Energieeinsparpotenzial.

In den 90er Jahren wurde angenommen, das die Digitalisierung der Wirtschaft materielle und energetische Ressourcen schonen könnte, weil Daten und Informationen schließlich „immateriell“ sind. Daran glaubt heute niemand mehr, denn der Energieverbrauchs-Rucksack dieser Datennutzung ist immens. Dazu hier ein paar ausgewählte Fakten:

  • Wenn das Internet ein Land wäre, wäre es gemessen am Stromverbrauch das drittgrößte Land der Welt! [2] Energie in Form von Strom wird benötigt für die Endgeräte, den Transport der Daten und den Betrieb und die Kühlung der Server in den Rechenzentren.
  • Fast 80% des Datenverkehrs wird durch das Streaming von Videos erzeugt. Wer ein nur zehnminütiges YouTube-Video schaut, verbraucht ähnlich viel Energie, wie der fünfminütige Betrieb eines elektrischen 2.000-Watt-Ofens. [3]
  • Die Rechenzentren in Frankfurt am Main verbrauchen ca. 20 Prozent des Stroms in der Stadt und haben damit bereits den Frankfurter Flughafen überholt. [3]
  • Deutschlandweit ist der Stromverbrauch von Rechenzentren höher als der von Berlin. [4]
  • Der weltweite jährliche CO2-Ausstoß des Internets ist inzwischen fast doppelt so groß wie der des globalen Flugverkehrs. [5]
  • Der Mobilfunkstandard 5G erhöht den Energiebedarf des Mobilfunknetzes vergleichsweise um den Jahresverbrauch der 2,5 Millionen Einwohner der Städte Köln, Düsseldorf und Dortmund. [2]
  • Jeder Google-Nutzer könnte mit seinen monatlichen Suchanfragen eine 60-Watt-Glühlampe für drei Stunden betreiben. Und um die durch Google-Anfragen verursachten CO2-Emissionen auszugleichen, müssten zwei Millionen Bäume pro Tag gepflanzt werden. [2]

Dabei hat die Vernetzung von Smart Homes, von autonomen Autos, des Internet-der-Dinge bzw. der Industrie 4.0 noch nicht einmal ansatzweise begonnen.
Jedoch ist nicht allein der Energieverbrauch das Problem. Fragen der Langlebigkeit und Reparierbarkeit von IT-Geräten, der Verwendung von open-source-Techniken und Recycling sind ein weiterer Schlüssel zur Verringerung des ökologischen Fußabdrucks digitaler Technologien und Infrastrukturen. Noch wichtiger ist aber die Reflexion über den tatsächlichen Bedarf von Technologien. Nicht jedes digitale Gerät ist sinnvoll, und nicht jede Dienstleistung muss digitalisiert werden. Gadgets im smarten Zuhause dienen oft nur dem Komfort und nicht der Energieeffizienz. Autonome Fahrzeuge, die Luxus und Komfort versprechen, können noch mehr Straßenverkehr nach sich ziehen. Die klare Vision für die Rolle digitaler Technologien und ihre Unterordnung unter die Ziele einer sozial-ökologischen Transformation wird auch bestimmen, in welchem Umfang immer mehr Geräte und Anwendungen tatsächlich benötigt werden.

Soziale Teilhabe aller Menschen muss gewährleistet sein

Das Programm des Digitalgipfels 2023 in Jena ist geprägt von einer Art „Wir digitalisieren alles“-Mentalität. Notwendig ist jedoch eine Denkweise, die auf einer maßvollen und umsichtigen Nutzung von digitalen Technologien beruht. Die Beibehaltung der Möglichkeit, nicht-digitale Alternativen wählen zu können, kann dabei nicht nur als Wohlstandsgewinn betrachtet werden, sondern ist zur Sicherung der sozialen Teilhabe vieler Menschen schlicht notwendig.

So wird beispielsweise beim Kauf eines Spartickets am Schalter eines DB Reisezentrums seit Sommer 2023 verlangt, eine E-Mail-Adresse oder Mobiltelefonnummer anzugeben [6]. Über den Grund lässt sich nur spekulieren. Was aber macht eine Person, die weder eine E-Mail-Adresse noch ein (mobiles) digitales Endgerät hat und sich den deutlich teureren Flexpreis nicht leisten kann?

Ein anderes Problemfeld tut sich bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen auf. Hier soll die elektronische Patientenakte eingeführt werden. Neben unzureichend beantworteten Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit in Bezug auf derart sensible Daten gibt es keine einheitliche Verfahrensweise bezüglich der Technik. Einige Anbieter setzen auf eine Smartphone-App. Was jedoch macht ein Patient, der kein Smartphone hat oder ein solches nicht hinreichend sicher bedienen kann? [7]

Digitalisierung muss demokratisch sein und dem Gemeinwohl dienen

Eine Handvoll Big-Tech-Unternehmen bestimmt heute die Form und das Design vieler digitaler Technologien – und erzielt damit den größten Anteil der wirtschaftlichen Wertschöpfung im Bereich der Digitalwirtschaft. Als Aktienunternehmen zielen ihre Geschäftsmodelle auf Gewinnmaximierung, auf Bindung der Nutzer*innen an ihre Dienste und die ungefragte Gewinnung persönlicher Daten ab. Diese Daten sind in vielen Fällen die eigentliche Grundlage für digitale Innovationen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass viele Unternehmen Daten horten, bewachen und monetarisieren – sei es durch Aufkäufe von Start-Ups der künstlichen Intelligenz oder abgeschottete Märkte in den sozialen Medien.

Der Zugang zu Daten ist jedoch eine entscheidende Voraussetzung für digitale Innovationen, die der Nachhaltigkeit dienen. Für multimodale Mobilitätsanwendungen werden beispielsweise Daten über die Verfügbarkeit von Verkehrsmitteln, die Übereinstimmung von Angebot und Nachfrage und das Management von Fahrgastbewegungen benötigt. Kreislaufwirtschaftliche Geschäftsmodelle basieren auf Produktdaten für Reparatur, Wiederverwendung und Recycling. Und Anwendungen zur optimalen Abstimmung von variablem Stromangebot und -nachfrage können nur mit Echtzeitkenntnissen über die Strommärkte erfolgreich sein.

Der Schlüssel für eine dafür notwendige gemeinwohlorientierte Daten-Gesetzgebung ist die Erleichterung des Zugangs vieler Akteure bei gleichzeitigem Schutz sensibler Informationen und Gewährleistung der Privatsphäre. Daten- Gesetzgebung für das Gemeinwohl umfasst daher eine dreifache Strategie: Erstens muss die Datennutzung für Zwecke, die soziale und ökologische Risiken verstärken – insbesondere solche, die die digitale Souveränität untergraben – wirksamer eingeschränkt und reguliert werden. Zweitens braucht es eine sorgfältige Erstellung von Rechtsvorschriften, um Datenmonopole zu öffnen und die Zugänglichkeit zu relevanten Daten für unterschiedlichste Akteure zu verbessern. Und drittens müssen neue Institutionen geschaffen werden, die die gemeinschaftliche Nutzung von Daten und eine gemeinschaftsorientierte Anwendung datenbasierter Produkte ermöglichen.

Digitale Technologien müssen im Sinne der Suffizienz und der Kreislaufwirtschaft eingesetzt werden

Eine tiefgreifende Transformation, die dem heute bereits fortgeschrittenen Ausmaß der Klima- und Biodiversitätskrise gerecht wird, erfordert nicht nur Effizienzsteigerungen, sondern auch wirkungsvolle Strategien für Suffizienz und Kreislaufwirtschaft. Digitale Technologien können dazu beitragen, dass bei einem solchen Wandel umweltpolitische Ziele und Ziele für ein ‚Gutes Leben‘ besser in Einklang gebracht werden. Intelligente Logistik erleichtert beispielsweise die Mobilität, die Reiseplanung und den Umstieg vom motorisierten Individualverkehr auf öffentliche und gemeinsam genutzte Verkehrsmittel. Intelligente Gebäudedesigns und Sharing-Plattformen bieten den erforderlichen Raum für alle Nutzer*innen und reduzieren gleichzeitig den ressourcenintensiven Bau neuer Gebäude. Darüber hinaus können Secondhand- und Sharing-Tools die Notwendigkeit des Kaufs neuer Waren verringern und gleichzeitig Konsumbedürfnisse befriedigen. Sie tun dies mit dem Nebeneffekt, dass sie globale und generationenübergreifende Ungleichheiten ausgleichen: Suffizienzorientierte Lebensstile sind wesentlich erschwinglicher und lassen gleichzeitig mehr Raum für die Befriedigung der Bedürfnisse künftiger Generationen.

Sichere und gerechte Erdsystemgrenzen

Viele Menschen fühlen sich aktuell in ihrer gewohnten Lebensweise bedroht: Heißer Krieg in der Ukraine und sich abzeichnende Instabilität der bisherigen USA-dominierten Weltordnung, Inflation und zunehmender Druck auf den Sozialstaat, Klimakrise und die ambivalente politische Reaktion darauf, Unsicherheit angesichts von Klientelpolitik, teils lähmende Zukunftsangst und daraus folgendes stoisches Beharren auf dem Status Quo einschließlich verbreiteter Wut auf Aktionen zivilen Ungehorsams, wachsende Ungleichheit weltweit wie auch national, Probleme im Zusammenhang mit Migration, Ungerechtigkeit bezüglich der Lebenswirklichkeiten zukünftiger Generationen, …

Das ist sicher nur eine kleine Anzahl von empfundenen Bedrohungen, die jeder für sich beliebig fortsetzen könnte und sich in oftmals erst als Reaktion auf andere, tieferliegende Krisen entwickelt haben. Nun nimmt jeder Mensch die einzelnen Bedrohungen ganz individuell wahr und wichtet sie damit auch ganz individuell. Eine Frage wäre damit an dieser Stelle, ob es rationale, wissenschaftlich begründbare Kriterien gibt, die es gestatten, den Grad der Bedrohung, die Dringlichkeit der Bewältigung der jeweiligen Krise festzustellen.
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Klimaaktionsplan – Jena klimaneutral spätestens ab 2035

Im Juli 2021 beschloss der Jenaer Stadtrat, dass Jena bis 2035 klimaneutral werden soll. Zur Umsetzung dieses Beschlusses wurde das Klima-Büro target GmbH aus Hannover beauftragt, bis September 2022 einen Klimaaktionsplan zu erstellen. Darin soll ein Szenario einschließlich der erforderlichen Maßnahmen entwickelt werden, deren Umsetzung zur Klimaneutralität Jenas bis 2035 führt. Der erste Entwurf wurde im September 2022 vorgestellt, der endgültige Entwurf liegt mittlerweile vor und muss nun durch den Stadtrat beschlossen werden. Der Klimaaktionsplan kann auf der Website des Klimaentscheids Jena eingesehen werden. Wichtige ausgewählte Aspekte des Klimaaktionsplans sind nachfolgend dargestellt.

#1: Einberufung von Klima-Bürgerräten

Bürgerräte
Ein Bürger:innenrat ist eine zufällig ausgeloste Versammlung mit dem Ziel, alle Perspektiven auf ein Thema – in dem Fall Klimaschutz vor Ort – sichtbar zu machen. Auf Grundlage fundierter Information wird diskutiert. Der Prozess wird von neutraler Seite moderiert, die Ergebnisse genau festgehalten. Denn diese sollen die Grundlage für weitere Entscheidungen zum Thema werden. Echte Bürger:innenbeteiligung also! Das Konzept ist nicht neu: In Irland wurde damit sogar eine Verfassungsänderung vorbereitet. Auch in Deutschland tagte bereits 2021 ein Bürgerrat zum Thema Klimakrise.
Der Klima-Aktionsplan sagt: „Ziel der Maßnahme ist es, eine Versammlung zufällig ausgeloster Bürger einzuberufen, die in ihrer Zusammensetzung ein möglichst gutes Abbild der Bevölkerung darstellen sollen. Bei der Auslosung müssen daher Kriterien wie Geschlecht, Alter, Bildung, Wohnort und Migrationshintergrund berücksichtigt werden. Die ausgelosten Bürger werden eingeladen, am Bürgerrat teilzunehmen. Die Arbeit […] muss durch die Bereitstellung von Fachinformation und wissenschaftlichen Erkenntnissen (z. B. durch Fachvorträge zu Beginn) untermauert und von einer zielgerichteten Moderation begleitet werden. Das Ergebnis müssen gemeinsame Handlungsempfehlungen sein, die dann an den Stadtrat übergeben werden.“ (S. 26)

#2: Verbesserung der Fuß- und Radverkehrsinfrastruktur


Themenfeld: Klimaneutrale Mobilität
Der KAP baut hier auf dem Radentscheid auf: Auf dessen Initiative wird der „Radverkehrsplan 2035+“ erarbeitet. Zu wenig Beachtung findet aber bislang der Fußverkehr, der gerade in Jena große Bedeutung unter den Mobilitäts-formen hat. Kurze Wege brauchen keine Räder und Motoren.
Der Klima-Aktionsplan sagt: „Um die Verkehrsteilnehmer zum Umstieg auf Rad- und Fußverkehr zu motivieren, bedarf es […] einer Verbesserung der vorhandenen Infrastruktur. Dadurch wird einerseits die Attraktivität des Rad- und Fußverkehrs gesteigert, andererseits tragen infrastrukturelle Verbesserungen auch zu einer erhöhten Verkehrssicherheit bei.“ Und: „Radfahrer und Fußgänger [müssen] bei der Verkehrsplanung prioritär behandelt werden.“ (S. 79)

#3: Offensive bei erneuerbaren Energien

erneuerbare Energien
Themenfeld: Klimaneutrale Energieversorgung
Wir brauchen Energie aus erneuerbaren Quellen, wenn wir Klimaneutralität wollen. Die Kapazitäten dafür sind auch in Jena da, selbst wenn es etwas eng ist im Saaletal. Gleich in mehreren Maßnahmen wird der Ausbau von Solarenergie festgeschrieben, wie auch die Prüfung von Windkraftanlagen. Um 2035 klimaneutral zu werden, beziffert der KAP den Bedarf von 36 ha für Freiflächen-Photovoltaik und 10 Windkraftanlagen (je 3 MW Leistung).
Um die Potenziale der privaten Dächer besser auszuschöpfen, sollen die Hürden für Besitzer:innen unter anderem durch ein Pachtmodell klein wer-den: „Die Investition in die Anlage wird im Falle eines Pachtmodells nicht durch den Hauseigentümer getätigt, sondern durch die Stadtwerke. Die Stadtwerke als Investor verpachten die Anlage dann an die Hauseigentümer, die die Anlage betreiben und den Strom selbst nutzen können.“ (S. 117)
Der KAP lässt nun zusätzlich zu den Flächen, die bereits auf ihre Eignung geprüft werden, auch Gebiete entlang der Saale sowie Autobahn- und Zug-trassen analysieren. Auch die Mitnutzung landwirtschaftlicher Flächen („Agri-PV“) ist vorgesehen. Klar ist aber auch: „Aufgrund des begrenzten Flächenangebots sollte die Stadt in diesem Zusammenhang auch unterstützend bei der Flächenermittlung im Umland tätig werden.“ (S. 115)

#4: Förderung klimafreundlicher Ernährung in städtischen Einrichtungen

klimafreundliche Ernährung
Themenfeld: Klimafreundliche Lebensweise
Ernährung spielt eine gewichtige Rolle in der Klimabilanz. Nicht nur (aber auch!) aus tierethischen Gründen, sondern weil der Ressourcenverbrauch tierischer Nahrungsmittel an Landfläche, Wasser und Treibhausgasemissionen die Grenzen des Wachstums längst überschritten hat, braucht es hier einen Wandel. Doch nicht nur mehr Pflanzliches muss auf den Tisch, auch sollten wir (wieder) mehr Saisonalität und Regionalität wagen!
Der Klima-Aktionsplan sagt hier: „Ausweitung des veganen/vegetarischen Angebots oder eine Reduktion des Angebots von tierischen Produkten“; „Insbesondere in den Schulen besteht die Möglichkeit der aktiven Teilhabe der Nutzergruppen (z. B. durch eine Einbindung von Schulköchen oder Arbeitsgemeinschaften mit den Schülern)“ (S. 121)
Und der KAP greift eine Idee, die auch in Jena angekommen ist: Die eines Ernährungsrates. Wenn dich das Thema interessiert, melde dich gern bei der Mailingliste des „Stammtischs Nachhaltige Ernährungswende Jena“ an, aus dem heraus die Gründung eines Ernährungsrates diskutiert wird (einfach per mail an ernaehrungsstammtisch-jena-subscribe@lists.riseup.net)

#5: Nutzung von Flussthermie für einen Teil der Fernwärme

Flussthermie
Themenfeld: Klimaneutrale Energieversorgung
Bislang verbrennt im Burgauer Kraftwerk fossiles Erdgas für die Fernwärme der Stadt. Im KAP wird zusammenfassend kommentiert: „Die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung ist eine der wichtigsten Stellschrauben zur Erreichung der Klimaneutralität.“ Mit anderen Worten: Wir müssen weg vom Gas!
Der KAP schlägt hier vorsichtig eine Variante vor, wie es gehen könnte: „Erste Untersuchungen zeigen, dass die […] Potenziale besonders hinsichtlich der Nutzung der Flussthermie der Saale mittels Wärmepumpen erheblich sind. Natur-, Umwelt- und Gewässerschutz bilden elementare Leitplanken der tatsächlichen Nutzung und bedürfen Untersuchungen im Rahmen entsprechender Genehmigungsverfahren.“ (S. 106)
Tatsächlich handelt es sich bei Flussthermie um eine in Deutschland noch wenig etablierte Technik. Am 10. Februar 2023 kam bei NANO (3Sat) ein Beitrag, der sich mit genau dieser Frage befasste am Beispiel der Weißen Elster in Neumühle und in Gera. Hier ist der Link auf die Sendung. Der Beitrag zur Flusswärme läuft etwa von der Sendeminute 6 bis 13. Vielleicht wird Jena hier eine Vorreiterin – aber die gebotene Vorsicht macht es notwendig, auch andere Konzepte parallel zu erarbeiten, um auch sicher und bald den Abschied von einer geopolitisch und klimabezogen nicht mehr tragbaren Energieform feiern zu können.

#6: Finanzielle Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs

öffentlicher Nahverkehr
Themenfeld: Klima-neutrale Mobilität
Hier lautet die Hauptaussage im KAP: Öffentlicher Nahverkehr muss günstiger sein als die Nutzung des Autos! Wichtig ist aber ebenso, dass das Angebot an Öffis auch entsprechend ausgebaut wird, unter anderem durch:

  • Ausbau des Liniennetzes
  • Investition in Infrastruktur (z. B. Haltestellen)
  • Einbindung alternativer Bedienungsformen („on-demand“-Verkehre)
  • Clevere Verknüpfung verschiedener Verkehrsarten an Mobilitätsstationen (ÖPNV, Rad-, Fußverkehr, Car-Sharing)

Ohne Frage gehören zu den Anreizen für bessere ÖPNV-Nutzung im Gegenzug auch jene Faktoren, die den Autoverkehr zurückdrängen. Im engen Jena ist insbesondere der hohe Flächenbedarf parkender Autos (denn die Fahrzeuge sind in der aktuellen Nutzungsform zu einem übergroßen Teil der Zeit doch eher „Steh“zeuge) ist hierbei ein Faktor, der einer Verkehrswende und generell lebensnäherer Nutzung des Stadtraumes bisher im Wege steht. Hier soll gegengesteuert werden durch Verknappung der Stellplätze und Anpassung der Parkgebühren. Letztere sollen zukünftig mit der Preisentwicklung im ÖPNV gekoppelt werden, damit die Wahl für umweltfreundlichen Verkehr sich stets preislich auszahlt. (S. 74, 81) Nicht im KAP steht jedoch irgendeine Form von Verbot, auch werden Ausnahmeregelungen für Menschen mit Behinderungen sowie der Faktor Einkommensstärke für Vergünstigungen klar benannt, um keine soziale Ungleichheiten zu schaffen. Teilhabe und Zugang zur Innenstadt für alle wird es weiterhin geben!

#7: Klimaneutrale Gebäude und Quartiere

klimaneutrale Gebäude und Quartiere
Themenfeld: Klimaneutrale Gebäude und Quartiere
Thema Wärme: Wie wäre es, wenn wir davon einfach weniger brauchen, weil unsere Häuser sie „für sich“ behalten? Jena steht in Sachen energetischer Gebäudesanierung nicht schlecht da – aber für das ambitionierte Ziel, bis 2035 klima-neutral zu werden, müssen alle Potentiale ausgeschöpft werden.
Eine ganze Palette von Maßnahmen im KAP soll dafür sorgen, dass im Gebäudebestand und auch in Neubauten so wenig wie möglich Energie „verheizt“ wird. Dazu sollen z. B. zehn Modellquartiere ausgewählt und saniert werden, die in Alter und Zustand jeweils homogen sind und sich dadurch gut für integrierte Lösungen eignen. (S. 37) Zudem soll es in Zusammenarbeit mit den Verbraucherzentralen eine aktive, kontinuierliche Beratungskampagne zum Thema energetische Sanierungen für Hausbesitzer:innen geben.
Für neu errichtete Gebäude sollen Bauleitplanung und Mindeststandards angepasst werden: „Ziel dieser Maßnahme ist es, nur noch klimaneutrale Neubauten zu errichten, die den ökologischen Einfluss von Neubauten auf ein Minimum reduzieren.“ (S. 41)

#8: Reduktion der Lebensmittelverschwendung

keine Verschwendung von Lebensmitteln
Themenfeld: Klimafreundliche Lebensweise
„Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft werden in Deutschland jährlich ca. 11 Millionen Tonnen an Lebensmitteln entsorgt. Neben der Art der Ernährung (regional, saisonal, ökologisch), nimmt diese Maßnahme daher eine wesentliche Rolle hinsichtlich einer klimafreundlichen Ernährung ein.“ (S. 122)
Neben einer Öffentlichkeitskampagne soll laut KAP geprüft werden, ob Tausch- und Sharingzentren in der Stadt und den Stadtteilen aufgebaut werden können. Auch geprüft werden soll, wie der Einzelhandel und die Gastronomie zum Spenden überschüssiger Lebensmittel verpflichtet werden können. Auch die Unterstützung lokaler Initiativen wie Foodsharing und konkret eines Foodsharing-Cafés werden vorgeschlagen.

#9: Regionaler Ökostromtarif für Unternehmen

erneuerbare Energie
Themenfeld: Klimaneutrale Unternehmen
Die Wirtschaft spielt eine große Rolle in der Klimabilanz. Wie sich lokale Unternehmen aufstellen, liegt nur bedingt in der Befugnis der Stadt – hat aber einen wichtigen Effekt. Darum sind im Themenfeld auch vor allem indirekte Maßnahmen zu finden, z. B. das Einrichten einer Klima-Servicestelle für Unternehmen: „Um eine breite Wissensbasis zu schaffen, wie sich Unternehmen künftig aufstellen können, sollte der Fokus dieser Stelle auf Vernetzung und Wissenstransfer liegen.“ (S. 48)
Sehr konkret ist hingegen der Vorschlag, einen eigenen Ökostromtarif auf den Weg zu bringen: „Der Tarif muss dabei so ausgestaltetet sein, dass z. B. durch einen Förderbeitrag, der auf den spezifischen Strompreis aufgeschlagen wird, Investitionen in regionale Erneuerbare-Energien-Anlagen getätigt werden.“ Ziel ist dabei, die Unternehmen „[…] auf dem Weg zur Klimaneutralität zu unterstützen […].“ (S. 51)

#10: Optimierung der Stadt-Umland-Beziehungen

Beziehungen zum Umland
Themenfeld: Strategische Maßnahmen
Jena ist eng. Das ist nicht nur bei der notwendigen Verkehrswende eine Herausforderung, sondern auch bei der Bereitstellung grüner Energie. Für Solar- und Windkraft ist Fläche nötig! Der KAP betont hier: „Aufgrund des begrenzten Flächenangebots im Stadtgebiet von Jena, kann eine regionale erneuerbare Energieerzeugung nur in Kooperation mit dem Umland erfolgen. Darüber hinaus gibt es weitere klimarelevante Schnittstellen, die für das Ziel Klimaneutralität berücksichtigt werden müssen (z. B. Mobilität und Pendlersituation).“
„Die Maßnahme zielt darauf ab, eine notwendige Kooperation […] zu verdeutlichen. Dies ist als Querschnittsaufgabe in allen relevanten Themengebieten zu sehen. Im Umland werden Erneuerbare-Energien-Anlagen realisiert, deren Strom dann zum Beispiel für ein regionales Ökostromangebot in der Stadt genutzt werden kann. Im Gegenzug unterstützt die Stadt Jena das Umland durch Anreize und Vergünstigungen […]“ (S.31)
Ziel ist es also, eine Win-Win-Situation herzustellen, in der sowohl die Stadt als auch das Umland von der Zusammenarbeit profitieren und sich anhand der unterschiedlichen Bedingungen und Bedürfnissen ergänzen können.

#11: Tempo-Reduzierung im Straßenverkehr

Temporeduzierung
Themenfeld: Klimaneutrale Mobilität
Im Individualverkehr wird viel CO2 emittiert, dies muss reduziert werden: „Eine wirksame Maßnahme dazu ist die Durchsetzung von Temporeduzierungen. Instrumente wie die Einführung von temporeduzierten Bereichen (z. B. Tempo-30-Zonen) sind in Jena bereits gängige Praxis. Es gilt, im Rahmen dieser Maßnahme weitere Zonen der Stadt im Hinblick auf Temporeduzierung und Verkehrsberuhigung zu identifizieren und umzusetzen.“ (S. 86)
Der KAP begründet, dass Temporeduktion neben dem geringeren Schadstoffausstoß auch in anderer Hinsicht die Lebensqualität verbessert: „Temporeduzierungen und Verkehrsberuhigungen wirken sich nicht nur reduzierend auf Treibhausgas-, sondern auch auf Lärmemissionen aus.“ (S. 86)
Weitere Nebeneffekte: Weniger gefährliche Verkehrssituationen – auch für alle nicht autofahrenden Verkehrsteilnehmenden; eine angenehmere Aufenthaltssituation im Straßenbereich – und ein Anreiz mehr, auf andere Verkehrsarten umzusteigen!

#12: Bessere Anbindung an Regional- und Fernverkehr

Anbindung an Regional- und Fernverkehr
Themenfeld: Klimaneutrale Mobilität
Mit dem Auto nach Jena zu pendeln ist für viele Menschen nötig, aber für das Verkehrssystem der Stadt wie auch für die Klimabilanz nicht zuträglich. Um hier möglichst vielen Menschen den Umstieg auf die Schiene zu ermöglichen, soll Jena besser an Regional- und Fernverkehr angebunden werden: „Bezogen auf den Regionalverkehr erfordert das eine engere Taktung auf den wichtigen Nord-Süd- (Naumburg-Saalfeld) und Ost-West-Verbindungen (Weimar-Hermsdorf), auch an den Wochenenden und in den Nachtstunden.“ (S. 91) Auch im Fernverkehr und für regionale und Fernbuslinien solle sich die Stadt um einen besseren Anschluss bemühen.
Wichtiges Stichwort hierbei: Vertaktung – also möglichst aufeinander abgestimmte Ankunfts- und Abfahrtszeiten im Nah- und Regional/Fernverkehr, damit die sogenannten „intermodalen Wegketten“, gestaffelte Fahrten mit verschiedenen Verkehrsmitteln, durch wegfallende Wartezeiten verkürzt und somit attraktiver werden.

#13: Förderung regionaler Produkte und Dienstleistungen

regionale Erzeugnisse und Dienstleistungen
Themenfeld: Klimafreundliche Lebensweisen
Gemüse aus Spanien, Äpfel aus Neuseeland? Warum nicht aus Dornburg oder Thalbürgel? Es gehört zu den Absurditäten unserer Zeit, dass unsere Produkte mehr von der Welt sehen als wir. Per LKW und Flugzeug kommt ein großer Teil unseres Essens von fern her, statt auf den umliegenden Äckern zu wachsen. Die niedrigen Transportkosten machen es möglich – nicht einbezogen sind aber die Kosten der Folgeschäden für das Weltklima. Dann geht die Rechnung nämlich schon lange nicht mehr auf.
Der KAP meint hierzu: „Wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen und klimafreundlichen Lebensweise ist es, Produkte zu konsumieren (und Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen), die regional erzeugt (bzw. angeboten) werden. Insbesondere im Bereich der Lebensmittelproduktion gibt es hier viele Ansatzpunkte […].“ (S. 123) Die Stadt könne hierzu z. B. die Standgebühren von regional-ökologischen Anbieter:innen reduzieren und Direktvermarktung fördern.
„Zeitgleich ist es wichtig, lokale Dienstleistungen zu fördern/bevorzugen, um die heimische Wirtschaft zu stärken, aber natürlich auch, um lange Fahrtwege zu vermeiden. […] Eine sinnvolle Ergänzung können zudem finanzielle Anreize sein, z. B. durch Gutscheine für regional/ökologisches Einkaufen […] oder durch ein regionales Klimaschutz-Gutscheinbuch […].“

#14: Förderung von Stadtgrün und Aufenthaltsqualität

Klimaanpassung - Stadtgrün fördern
Themenfeld: Klimafreundliche Lebensweisen
Hier gehen Klimaschutz und -Anpassung an die folgen steigender Temperaturen Hand in Hand: Grünflächen in der Stadt tragen signifikant zur Abkühlung bei. Sie verdunsten Wasser und spenden Schatten, was dem (gerade in Jena starken) Wärmeinseleffekt im städtischen Raum entgegenwirkt.
„Dies umfasst nicht nur ästhetische Aspekte in der Stadtgestaltung, sondern hat mit der Entsiegelung von Flächen auch gesundheitliche, klimarelevante und lebensqualitative Einflüsse.“ (S. 125) Explizit soll die Pflege städtischer Grünflächen durch reduziertes Mähen und Förderung der Biodiversität angepasst werden.
Die Maßnahme zur Steigerung der Wohn- und Aufenthaltsqualität geht über diese direkten Effekte noch deutlich hinaus und nennt unter anderem eine Reihe an Maßnahmen, um die Stadtteile abseits des Zentrums attraktiver zu machen (und in der Folge das Pendeln in die Stadt zu reduzieren): „Förderung der stadtteilbezogenen Arbeit von Initiativen, […] Unterstützung/Schaffung von Angeboten wie Stadtteil- und Reparaturcafés, Vernetzungsmöglichkeiten, Gemeinschaftsräumen, Selbsthilfegruppen; Sicherung wichtiger Dienstleistungen im Quartier (Waren des täglichen Bedarfs, Arztpraxen, Pflegedienst, Apotheke, Kitas, Schulen); Schaffung von Gemeinschaftsflächen: Spielflächen, Bewegungsräume, Quartiersgärten“ (S. 130)

#15: Monitoring-Konzept zur Überprüfung der Umsetzung

Monitoring und Anpassung
Themenfeld: Strategische Maßnahmen
Alle Ziele helfen nichts, wenn niemand sie umsetzt! Darum ist im Klima-Aktionsplan ein jährliches Monitoring vorgesehen, also die Überprüfung, dass die Zwischenziele erreicht werden.
„Ferner müssen, ähnlich wie im Bundes-Klima-schutzgesetz (KSG), Prüfkriterien erarbeitet werden, die greifen, sobald die im Klima-Aktionsplan formulierten Ziele verfehlt werden. […] Dabei ist ein sektorales Monitoring auf Grundlage der im Klimaaktionsplan ausgewiesenen Etappenziele (2025, 2030) anzustreben.“ (S. 19) Werden Ziele in einem Bereich verfehlt, „muss innerhalb einer festgesetzten Frist von wenigen Monaten ein Sofortprogramm vorgelegt werden, um das Umsetzungs-defizit zu beseitigen.“ Hier wird also eine Rückkopplung eingebaut, die sicherstellt, dass wir auf dem richtigen Weg bleiben, nämlich Richtung Klimaneutralität 2035!

Wer alle weiteren Maßnahmen und Hintergründe nachlesen will, kann dies hier tun.

COP 27 in Ägypten, Zweijahresgutachten 2022 in Berlin – und nun?

Graffito an der Saalbahn bei Jena-Zwätzen

Graffito an der Saalbahn bei Jena-Zwätzen

Das Graffito habe ich am Sonntag in Zwätzen entdeckt. Dort wurde im Rahmen einer von der Stadt Jena geförderten Aktion eine Lärmschutzwand der Saalbahn mit Graffiti gestaltet. Das Bild symbolisiert für mich sehr schön die momentane Situation bezüglich der Klimakrise: Das Eis schmilzt unter der Hand weg, die Zukunft wird verspielt und der Spieler schaut ganz verdattert, was er da angerichtet hat.
Gleichzeitig findet in Ägypten die jährliche UN-Klimakonferenz statt – inzwischen die 27. Festgestellt wird dort wie auch bei den vorherigen Konferenzen, dass die Ziele, die sich die Länder gestellt haben in der Summe nicht ausreichen, um das Ziel der Pariser Klimakonferenz von 2015 zu erreichen. Die globale Klimaerwärmung wird nach bisherigem Stand der Dinge im Jahr 2100 wohl etwa 2,4 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau betragen. Erste Stimmen aus der Klimaforschung bekennen, dass das 1,5-Grad-Ziel wohl nicht mehr erreichbar ist, egal welche Anstrengungen unternommen werden.
Das trifft explizit auch auf die Nicht-Erreichung der Klimaziele in Deutschland zu. Im Zweijahresgutachten 2022 des Expertenrates für Klimafragen lautet die zentrale Aussage „Zielerreichung 2030 fraglich ohne Paradigmenwechsel“.
Auf der anlässlich der Vorstellung des Gutachtens stattgefundenen Pressekonferenz sagte der Vorsitzende des Expertenrates, Hans-Martin Henning:

„Wir sehen, dass ein nahezu kontinuierlicher Zuwachs der Aktivitäten in allen Sektoren einschließlich Rebound-Effekten einer technisch möglichen stärkeren Absenkung der Emissionen entgegenwirkte […] Effizienzgewinne wurden also beispielsweise durch das allgemeine Wirtschaftswachstum, größere Wohnfläche oder gestiegene Transportleistungen konterkariert.”

Ratsmitglied Thomas Heimer äußerte:

„Die jährlich erzielte Minderungsmenge müsste sich im Vergleich zur historischen Entwicklung der letzten 10 Jahre mehr als verdoppeln. Im Industriesektor wäre etwa eine 10-fache und bei Verkehr sogar eine 14-fache Erhöhung der durchschnittlichen Minderungsmenge pro Jahr notwendig.“

In der im Gutachten durchgeführten Analyse der Entwicklungen in der jüngeren Vergangenheit „[…] werden die Jahre von 2000 bis 2021 betrachtet, in denen eine Treibhausgasemissionsminderung um 26,6 % bzw. temperaturbereinigt um 27,3 % stattgefunden hat. Dabei hat über den gesamten Zeitverlauf vor allem die Wirtschaftsentwicklung emissionssteigernd gewirkt.“
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Earth4All – ein neues Buch des Club of Rome

Vor 50 Jahren veröffentlichte der Club of Rome seine erste Studie „Grenzen des Wachstums“. Die Autorinnen und Autoren, unter ihnen der norwegische Zukunftsforscher Jorgen Randers stellten darin fest, dass wenn die Menschheit weiter so wächst, produziert, konsumiert und die Umwelt verschmutzt wie bis dahin, sie ihre eigene Lebensgrundlage zerstören wird. Heute, 50 Jahre später hat Randers gemeinsam mit weiteren Autoren in der Bundespressekonferenz wiederum ein Buch des Club of Rome vorgestellt: „Earth4All“. Darin werden sofortige drastische Schritte für eine lebenswerte Zukunft gefordert. Ein „weiter so“ würde zu einem Zusammenbruch ganzer Regionen führen und ohne eine Umverteilung des Reichtums lasse sich die Klimakrise nicht lösen. Weiterlesen

ausgetrocknete Ilm bei Oettern

Am vergangenen Sonntag (21. August 22) unternahm ich eine kleine Fahrradtour auf dem Ilm-Radweg. In Mellingen am Wehr war die Ilm als solche noch erkennbar, wenngleich nur ein kleines Rinnsal über das Wehr floss. Etwas weiter Ilm aufwärts in Oettern war von der Ilm nichts zu sehen, die Brücke führte über einen Schottergraben. Ein paar Hundert Meter weiter flussaufwärts gibt es eine alte Brücke, von der aus ich diese Fotos gemacht habe:

ausgetrocknete Ilm – Blick in Richtung Buchfahrt – 21.08.22

ausgetrocknete Ilm - Blick in Richtung Oettern - 21.08.22

ausgetrocknete Ilm – Blick in Richtung Oettern – 21.08.22

Im Hintergrund ist jeweils noch eine größere Pfütze zu erkennen, ansonsten ist die Ilm trocken. Ich kann mich erinnern, dass bereits 2018 das Flussbett der Ilm etwas oberhalb von Buchfahrt ähnlich trockengefallen war. Aber da war zwischen den Steinen immer noch etwas Wasser zu sehen. Ich weiß nicht, was solch ein Zustand längerfristig beispielsweise für den Fischbestand in der Ilm bedeutet. Mit Sicherheit aber nichts Gutes.
Die Frage wäre, inwiefern solche Zustände eines Wasser-Defizits in Zukunft häufiger auftreten oder sich gar hin zu einem „Normal“-Zustand entwickeln werden. Dazu sei an dieser Stelle auf langfristige Messungen verwiesen.
Am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) wurde ein sogenannter Dürremonitor entwickelt. Hier werden täglich flächendeckende Informationen zur Bodenfeuchte in Deutschland erfasst und veröffentlicht. Als Dürre wird dabei die statistische Abweichung der Bodenfeuchte vom langjährigen Zustand (Zeitraum 1951-2015) im jeweiligen Monat bezeichnet. Die Daten werden für zwei Tiefen veröffentlicht – 25 cm und 1,8 m Tiefe. Die Werte für die Tiefe von 1,8 m beschreiben dabei eher einen längerfristigen Trend während weiter an der Oberfläche eher saisonale Abweichungen erkennbar sind.
Die Grafik für Thüringen, bezogen auf 1,8 m Tiefe und den 22. August 2022 zeigt für den Bereich der Ilm im Kreis Weimarer Land eine tiefrote Färbung. Dies entspricht in der Bewertung einer „außergewöhnlichen Dürre“.

Dürremonitor Helmhltz-Zentrum

Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Thüringen


Die unzureichende Bodenfeuchte ist also offensichtlich ein langfristiger Effekt – letztlich eine Auswirkung der Klimakrise.
Die Tagesschau veröffentlichte am 26. August 22 ebenfalls einen Beitrag zu diesem Problem.
Die Saale in Jena ist durch die Staustufen im Oberlauf von einer solchen extremen Situation nicht betroffen – bleibt die Frage, wie lange noch.

Runter vom Gas!

Was jetzt endlich passieren muss

Seitdem Russland am 24. Februar seinen militärischen Überfall auf die Ukraine begonnen hat, ist die Welt, in der hierzulande viele zu leben glaubten, nicht mehr da. Die Vorstellungen, dass Demokratie so attraktiv sei, dass sie sich ganz von allein überall auf der Welt durchsetzen werde, und der Glaube daran, dass die Einbindung in globalisierte Märkte für alle beteiligten Länder vorteilhaft sei und dazu führe, dass alle ein Interesse an Frieden hätten, haben sich als fatale Illusionen erwiesen. Stattdessen müssen viele nun etwas einsehen, worauf aus der Klimabewegung schon lange immer wieder hingewiesen wird: Das friedliche Leben in Wohlstand und Freiheit, an das man sich so gewöhnt hat, dass man es für selbstverständlich, ja für ein Anrecht hielt, war immer mit Armut, Gewalt und Unfreiheit anderswo erkauft – und diese viel zu lange verdrängten Folgekosten, die in Gestalt der sich verschärfenden Klimakrise schon lange sehen konnte, wer sie denn sehen wollte, kommen nun ungleich plötzlicher und drastischer hierher zurück. Sie lassen sich jetzt nur noch um den Preis weiter verdrängen, Demokratie und Menschlichkeit um des Wohlstands und der Bequemlichkeit willen zu opfern. Der einzige andere Weg ist der, die eigene Verantwortung für die Misere der Welt anzunehmen, gemeinsam mit den Menschen in der Ukraine die Demokratie und die Menschenrechte zu verteidigen – und so schnell es geht zu einer Lebensweise zu finden, die ohne die dauerhafte Auslagerung ihrer Lasten auf andere auskommt und die deshalb ein Leben in Würde und Selbstbestimmung für alle erst denkbar macht.
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EU will Kernkraft und Erdgas als „nachhaltige Technologien“ einstufen

Im Dezember 2019 wurde in Brüssel der „Europäische Grüne Deal“ vorgestellt.
Ausgangspunkt des European Green Deals (EGD) ist die Anerkennung der Tatsache, dass Klimawandel und Umweltzerstörung existenzielle Bedrohungen für Europa und die Welt sind. Mit dem EGD will die Europäische Union daher den Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft schaffen, die

  • bis 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr ausstößt,
  • ihr Wachstum von der Ressourcennutzung abkoppelt,
  • niemanden, weder Mensch noch Region, im Stich lässt.

Ein Drittel der Investitionen aus dem Aufbaupaket NextGenerationEU und dem Siebenjahreshaushalt der EU mit einem Umfang von insgesamt 1,8 Billionen EUR sollen in den Grünen Deal fließen. Der EGD ist mit vielen Einzelmaßnahmen untersetzt, die auf der entsprechenden EU-Website nachgelesen werden können. Es ist abzusehen, dass die Haushaltsmittel der EU, die dafür vorgesehen sind, nicht ausreichen werden um die Ziele des EGD zu erreichen. Die EU hat deshalb eine Taxonomie, also eine Bewertung für potentielle Investoren erarbeitet, welche Technologien im Rahmen des European Green Deals als „nachhaltige Technologien“ gelten. Hier können private Investoren, vermutlich vor allem weltweit agierende Anlagefonds ihr Kapital investieren und mit dem Etikett „nachhaltige Geldanlage“ versehen.

Ein Problem ist dabei jedoch, wie am 31. Dezember 2021 von der EU-Komission veröffentlicht wurde, dass sowohl die Kernenergie wie auch die Erdgasverbrennung als „nachhaltige“ Technologien eingestuft werden. Was am Bau neuer Kernkraftwerke und neuer Gaskraftwerke nachhaltig im Sinne der Bewältigung der Klimakrise sein soll, erschließt sich mir jedoch nicht.

Das Erreichen des 1,5°-Ziels erfordert unmittelbar eine drastische Reduzierung der CO2-Emissionen. Nähere Ausführungen dazu gibt es im Blog der Zukunftswerkstatt Jena. Der Weg dahin kann nur sein, sofort und in bisher unerreichtem Tempo die Kapazitäten der erneuerbaren Energien auszubauen. Dieser Ausbau muss verbunden werden mit dem Ausbau von Energiespeichern und dem Netzausbau, weil die erneuerbaren Energien für sich alleine nicht grundlasttauglich sind. Trotzdem werden jedes neu installierte Windrad und jeder Quadratmeter Solarzellen sofort wirksam für die Energieerzeugung und können CO2-Emissionen sofort reduzieren.

Gaskraftwerke können in diesem Sinne keinen Beitrag zur Erreichung des Klimaziels leisten. Sie emittieren zwar weniger CO2 als Kohlekraftwerke, aber sie emittieren CO2. Und Kernkraftwerke gleich gar nicht. Sie sind (fast) ohne CO2-Emissionen nur dann, wenn ausschließlich der Moment des Betriebs betrachtet wird. Wird die Gesamtemission einschließlich Bau (Beton und Stahl) und Rückbau sowie die Aufbereitung des Kernbrennstoffs und dessen bisher ungeklärte Endlagerung mit betrachtet, ist die Bilanz drastisch schlechter. Hinzu kommt, dass der Neubau eines Kernkraftwerks einschließlich Planung und Genehmigung leicht 20 Jahre dauern kann und damit viel zu spät wirksam werden würde. Kernkraftwerke sind also definitiv kein Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise. Ich kann dieses Vorgehen der EU eigentlich nur als Etikettenschwindel oder Neudeutsch Greenwashing bezeichnen.

Hinzu kommt am Ende noch eine grundsätzliche Kritik: Der gesamte Eropean Green Deal ist kein Beitrag zur eigentlich nötigen Transformation unserer Wirtschafts- und Lebensweise. Nur eine nicht an Wachstum orientierte, ressourcenschonende und die planetaren Grenzen beachtende, dezentral vernetzte Gesellschaft wird in der Lage sein, die Klimakrise zu bewältigen. Der European Green Deal verändert die heutige profitorientierte Wirtschaftsweise überhaupt nicht, sondern streicht sie lediglich hübsch grün an.

Fahrradstaffel Leipzig – Brüssel: „Wir bringen den Eiffelturm nach Brüssel“ – #MakeParisReal

Vor fünf Jahren am 12. Dezember wurde in Paris das „Übereinkommen von Paris“ in Nachfolge des Kyoto-Protokolls ausgehandelt mit dem Ziel, die menschengemachte globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad gegenüber den vorindustriellen Werten zu begrenzen. Ebenso soll die Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel verbessert sowie eine konsistente Finanzierung in Bezug auf das vereinbarte Ziel gesichert werden.

Die Besonderheit dieser Übereinkunft gegenüber vorherigen Vereinbarungen besteht darin, dass jeder Vertragsstaat selber entscheidet, welchen Beitrag er zur Erreichung dieser Ziele leistet. In jedem Jahr sollen alle Beiträge erfasst und bezüglich der damit möglichen Erreichbarkeit der Ziele bewertet werden. Die bisher eingereichten Beiträge sind bei Weitem noch nicht ausreichend. Nach jetzigem Stand würden sie zu einer Erwärmung um etwa 2,7 Grad führen. Damit wird die Überschreitung möglicher Kipppunkte wahrscheinlich, welche zu irreversiblen Veränderungen des Klimas führen können. Ebenso wird an vielen Stellen die Dringlichkeit des Handelns betont [z. B. Stefan Rahmstorf]. Mögliche Entwicklungspfade, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen wurden in einem Sonderbericht des IPCC  dargestellt. Diese Pfade beinhalten alle eine Beibehaltung bzw. deutlichen Ausbau der Kernenergie sowie die Anwendung technischer Verfahren zur Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre – allesamt hochproblematische und umstrittene technische Ansätze. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die bisherigen Anstrengungen in keiner Weise ausreichen.

Mitglieder der Leipziger Gruppe der Parents for Future (P4F) haben deshalb die Idee gehabt, die für den 10. Dezember 2020 vorgesehene Beratung der Beiträge der EU zur Erreichung der Pariser Klimaschutzziele zum Anlass zu nehmen, um „den Eiffelturm nach Brüssel“ zu bringen, und zwar in Form einer Fahrradstaffel. Heute war nun Jena der Etappenhalt. Gegen 18:30 Uhr wurde die Gruppe aus Leipzig in Jena an der Stadtkirche empfangen.

Ankunft der Fahrradstaffel Jena

Ankunft der Fahrradstaffel Jena

Eiffelturm nach Brüssel

Eiffelturm nach Brüssel

Morgen startet die nächste Etappe nach Erfurt. Unter #MakeParisReal kann die Radtour weiter verfolgt werden.