Erster planetarer Gesundheitscheck: Erde überschreitet sichere Grenzen.

Die Initiative „Planetary Boundaries Science” (PBScience) wurde Ende 2023 unter der Leitung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zu dem Zweck gegründet einen „planetaren Gesundheitscheck“ („Planetary Health Check“) zu erarbeiten.

Planetare Grenzen 2024

Planetare Grenzen 2024

Der Planetary Health Check informiert künftig jährlich, systematisch und ganzheitlich über den Zustand der Erde anhand seiner planetaren Grenzen. Er kombiniert dazu Erdbeobachtungsdaten mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und multidisziplinären Ansätzen. Ein Ziel des Gesundheitschecks ist es, Lösungen zu finden, wie negative Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf den Planeten wirksam begrenzt werden können. Unterstützt wird PBScience dabei von der Initiative „Planetary Guardians” und zahlreichen weiteren internationalen Partnern.

Der Report für 2024 wurde vor wenigen Tagen veröffentlicht. Er zeigt auf, dass mittlerweile sechs von neun Planetaren Grenzen überschritten sind. Damit erweisen sich wesentliche Teile des Erdsystems als deutlich geschwächt. In der Folge sinkt dessen Widerstandsfähigkeit und es wächst die Gefahr, dass Kipppunkte überschritten werden und es zu irreversiblen Veränderungen kommt.

Bislang wurde der Zustand der neun Erdsystemprozesse meist jeweils getrennt voneinander betrachtet. Doch Entwicklungen wie der Klimawandel, der Verlust der biologischen Vielfalt und Umweltverschmutzung wirken aufeinander ein und haben Auswirkungen auf die Gesundheit – die Stabilität und Widerstandsfähigkeit – der Erde. Der „Planetary Health Check“ fasst die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu allen planetaren Grenzen wie etwa dem Klimawandel und der Versauerung der Ozeane zusammen. Er benennt Ursachen und Verbindungen zwischen den verschiedenen Entwicklungen, stellt Zusammenhänge zwischen den planetaren Grenzen und den verschiedenen Kipppunkten her und zeigt, wie notwendig ein solcher ganzheitlicher Ansatz ist, um die Zukunft der Menschheit zu sichern.

Der Planetary Health Check zeigt, dass diese lebenserhaltenden Funktionen des Erdsystems gefährdet sind. Neben den sechs bereits überschrittenen planetaren Grenzen steht das Überschreiten einer siebten Grenze unmittelbar bevor. Zugleich ist den Forschenden zufolge ein klarer Trend zu weiteren Überschreitungen zu erkennen. Die nachstehende Grafik belegt in bisher nicht gekannter Klarheit die Brisanz der ermittelten Ergebnisse.

Planetare Gesundheit 2024

Planetare Gesundheit 2024Der Planetary Health Check bietet einen einzigartigen, ganzheitlichen Blick auf die Gesundheit des Planeten und soll als Kompass für die Entscheidungsfindung von Ländern, Unternehmen, multilateralen Organisationen und Bürgerinnen und Bürgern dienen. Mit der Unterstützung einer Reihe von Partnern kann er zu einer Art „Control Room“ für die Erde entwickelt werden, der die neuesten Satellitendaten, künstliche Intelligenz, die Weisheit der indigenen Völker und die neueste Wissenschaft nutzt. Langfristig soll der planetare Gesundheitscheck jeden in die Lage versetzen, zu handeln und Pläne zu erstellen, um letztlich den Kurs zu ändern und in den sicheren Handlungssraum der Erde zurückzukehren.

P4F Jena unterstützt Netzwerk „Buntes Weimarer Land“

Am 18. August 2024 fand in Apolda ein Straßenfest des Netzwerkes „Buntes Weimarer Land“ statt, welches sich gegen eine Wahlveranstaltung der AfD Thüringen richtete.

Bürgerfest in Apolda gegen AfD Wahlkampf

Bürgerfest in Apolda gegen AfD Wahlkampf

Die P4F Jena unterstützten die Veranstaltung mit einem Stand und einem Redebeitrag.

P4F auf dem Bürgerfest in Apolda gegen AfD Wahlkampf

P4F auf dem Bürgerfest in Apolda gegen AfD Wahlkampf

Auszüge aus dem Redebeitrag:

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Earth Overshoot Day 2024

Das Global Footprint Network berechnet den Erdüberlastungstag für das Jahr 2024 auf den 1. August. An diesem Tag hat die Menschheit die globalen Ressourcen, die ihr für ein nachhaltiges Leben und Wirtschaften in einem Jahr eigentlich zur Verfügung stehen, aufgebraucht. Den Rest des Jahres leben wir sozusagen „auf Pump“, wobei hier die Zukunft „angepumpt“ wird, und zwar ungefragt. Anders ausgedrückt benötigen wir für unsere gegenwärtige Art zu Leben und zu Wirtschaften 1,7 Erden – wir haben jedoch nur eine. Und schlimmer noch: Wenn alle Menschen auf der Erde so leben würden wie in Deutschland wären drei Erden nötig.

Schaut man sich die Entwicklung des Datums des jährlichen Overshoot Days an, so stellt man einerseits fest, dass wir seit Ende der 1960er Jahre über unsere Verhältnisse leben.

Datum des Earth Overshoot Day 1972 bis 2024

Datum des Earth Overshoot Day 1972 bis 2024.  Andererseits zeigt sich, dass seit etwa 10 Jahren der Erdüberlastungstag ungefähr auf Anfang August datiert und somit auf hohem Niveau stagniert. Ergeben sich die Fragen, wo die Ursachen dafür liegen und ob das eine Trendwende sein könnte.

Eine Ursache für die Entwicklung ist die weltweite Zunahme der Nutzung erneuerbarer Energien in vielen Bereichen der Wirtschaft. Die International Renewable Energy Agency (IRENA) hat dazu einen Bericht veröffentlicht. Dieser Bericht belegt den deutlich zunehmenden Anteil am Zubau erneuerbarer Energien weltweit. Im Jahr 2023 betrug der Anteil erneuerbarer Energien an den neu installierten Anlagen 86% – ein Zubau von 473 GW Leistung.

Zubau erneuerbarer Energien

Zubau erneuerbarer Energien

Diese Entwicklung könnte durchaus Zuversicht verbreiten bezüglich der Lösung der Probleme. Dem ist jedoch keineswegs so. Insbesondere reicht es auf keinen Fall aus, den großen Verzicht zu propagieren. In dem genannten Bericht der IRENA werden die Entwicklungen im Detail nachvollzogen und bezüglich des Zeitraums bis 2030 extrapoliert. Dabei zeigt sich, dass lediglich der Zubau von Photovoltaik-Anlagen auf dem erforderlichen Entwicklungspfad liegt, der zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels von Paris nötig ist. Erforderlich ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen auf verschiedenen Gebieten, um die Situation zu verbessern.

umfassende Aktionen erforderlich

umfassende Aktionen erforderlich

Eine Trendwende ist aus der Stagnation des Erdüberlastungstags etwa Anfang August noch nicht eindeutig abzuleiten. Dennoch scheint diese Entwicklung nicht zufällig zu sein, sondern das Ergebnis vielfältiger geplanter Anstrengungen in verschiedensten Bereichen zu sein. Kommen wird eine Trendwende in der Zukunft mit Sicherheit. Die Frage ist nur ob „by design or by desaster“. Der Ressourcenverbrauch muss schnell und planvoll heruntergefahren werden. Ansonsten zwingen uns die planetaren Krisen und Konflikte auf chaotische Art und Weise dazu.

Und wieder neue Wetterrekorde

Der Deutsche Wetterdienst hat heute (2. April 2024) die aktuellen Wetter-Daten zum vorherigen Monat März veröffentlicht.

Demnach erlebte Deutschland 2024 den wärmsten März seit Messbeginn im Jahr 1881. Da schon im Februar 2024 hatte einen Temperaturrekord verzeichnet wurde sind das zwei aufeinanderfolgende Monatsrekorde. So etwas wurde zuletzt 2018 mit dem damaligen April und Mai gemessen. Die Niederschlagsmenge fiel im März 2024 deutlich zu niedrig aus. Das Defizit war am stärksten in Teilen Ostdeutschlands.

Die Märzmitteltemperatur 2024 lag mit 7,5 Grad Celsius (°C) um vier Grad über dem Wert der international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990. Im Vergleich zur aktuellen und wärmeren Vergleichsperiode 1991 bis 2020 betrug die Abweichung 2,9 Grad. Damit wurde der bisherige Rekordwert aus dem Jahr 2017 (7,2 °C) deutlich übertroffen.

Temperaturanomalien Deutschland

Temperaturanomalien Deutschland 1881 – 2024

Auch für Thüringen gab es Rekordwerte

Mit einer Temperatur von 6,8 °C (2,8 °C über dem Mittelwert der internationalen Referenzperiode 1961-1990) erreichte der März 2024 einen Spitzenplatz. Letztmalig wurde ein solcher Wert 1938 ermittelt. Parallel zu dieser außergewöhnlichen Temperatur wurde in der Fläche auch ein deutliches Niederschlagsdefizit von 31 l/m² (52 l/m² im Mittel der internationalen Referenzperiode 1961-1990) registriert. Besonders trocken blieb es im Lee des Thüringer Waldes: Dort lagen die Monatsmengen teilweise unter 10 l/m². Die Sonne übertraf mit 125 Stunden die Norm von 106 Stunden deutlich.

alarmierende Klimadaten von Copernicus

Am 7. Februar 2024 veröffentlichte der Climate Change Service des Copernicus-Dienstes der EU aktuelle Daten zur aktuellen Klima-Situation.

Die veröffentlichten Aussagen sind schlicht alarmierend:

  • Der Januar 2024 war der wärmste Januar seit Beginn der Aufzeichnungen, mit einer durchschnittlichen ERA5-Oberflächentemperatur von 13,14°C, 0,70°C über dem Januar-Durchschnitt von 1991-2020 und 0,12°C über der Temperatur des bisher wärmsten Januars im Jahr 2020.
  • Dies ist der achte Monat in Folge, der für den jeweiligen Monat des Jahres der wärmste in den Aufzeichnungen ist.
  • Der Monat Januar war 1,66°C wärmer als der geschätzte Januar-Durchschnitt für den vorindustriellen Referenzzeitraum 1850-1900.
  • Die globale Durchschnittstemperatur der letzten zwölf Monate (Februar 2023 – Januar 2024) ist die höchste seit Beginn der Aufzeichnungen und liegt 0,64 °C über dem Durchschnitt von 1991-2020 und 1,52 °C über dem vorindustriellen Durchschnitt von 1850-1900.
  • Die Temperaturen in Europa schwankten im Januar 2024 zwischen deutlich unter dem Durchschnitt von 1991-2020 in den nordischen Ländern und deutlich über dem Durchschnitt im Süden des Kontinents.
  • Außerhalb Europas lagen die Temperaturen in Ostkanada, Nordwestafrika, dem Nahen Osten und Zentralasien weit über dem Durchschnitt, während sie in Westkanada, den zentralen USA und dem größten Teil Ostsibiriens unter dem Durchschnitt lagen.
  • El Niño begann sich im äquatorialen Pazifik abzuschwächen, aber die Meereslufttemperaturen blieben im Allgemeinen auf einem ungewöhnlich hohen Niveau.
  • Die durchschnittliche globale Meeresoberflächentemperatur (SST) für Januar über dem extrapolaren globalen Ozean (60°S-60°N) erreichte 20,97°C. Dies ist ein Rekord ­ 0,26°C wärmer als der vorherige wärmste Januar 2016 und der zweithöchste Wert für einen beliebigen Monat im ERA5-Datensatz, nur 0,01°C vom Rekord vom August 2023 (20,98°C) entfernt.
  • Seit dem 31. Januar hat der tägliche SST-Wert für den extrapolaren globalen Ozean (60°S-60°N) neue absolute Rekordwerte erreicht und die bisherigen Höchstwerte vom 23. und 24. August 2023 übertroffen.

Temperatur der Meeresoberfläche über den extrapolaren globalen Ozean (60°S-60°N)
Abbildung: Tägliche Meeresoberflächentemperatur (°C) gemittelt über den extrapolaren globalen Ozean (60°S-60°N) für 2015 (blau), 2016 (gelb), 2023 (rot) und 2024 (schwarze Linie). Alle anderen Jahre zwischen 1979 und 2022 sind mit grauen Linien dargestellt. Datenquelle: ERA5. Copernicus Climate Change Service.

Digital-Gipfel 2023 in Jena

Unter dem Thema „Digitale Transformation in der Zeitenwende. Nachhaltig. Resilient. Zukunftsorientiert.“ findet der Digital-Gipfel der Bundesregierung am 20. und 21. November 2023 in Jena statt.

„Deutschland befindet sich in einer Zeitenwende. Multiple Herausforderungen nachhaltig zu bewältigen, aber auch die Resilienz zu stärken sowie eine bessere Zukunftsfähigkeit zu schaffen, ist heute ohne Digitalisierung nicht denkbar.“ [1] So steht es auf der Website des Digitalgipfels. Leider wird der Begriff der Zeitenwende dort nicht näher erläutert, wie auch der gesamte dort zu lesende Text eher eine Ansammlung von Schlagwörtern ist, die alles und nichts sagen.

Es gibt in der IT einen schon recht alten, aber nach wie vor gültigen Spruch: „Mit einem Rechner löse ich die Probleme, die ich ohne ihn nicht hätte.“ Wenn heute der Begriff der Digitalisierung in aller Munde ist, so erscheinen die Aussagen dazu vielfach in dem gleichen Licht wie der zitierte Spruch – es geht einfach nur um Digitalisierung an sich und als solche. Zweck und Sinnhaftigkeit der Digitalisierung bezogen auf die anstehenden akuten Probleme unserer Gesellschaft werden kaum bis gar nicht hinterfragt. Digitale Techniken können ein wunderbares Werkzeug in vielen Bereichen unserer Gesellschaft sein, aber eben nur ein Werkzeug. Wie jedes Werkzeug muss es auf etwas angewandt werden, sonst ist es weitgehend nutzlos. Und es ist dabei sehr wohl ein grundlegender Unterschied, ob es zur Bewältigung der komplexen Herausforderungen des Erhalts des Lebensraums Erde dient, oder zur Steigerung des Profits global agierender Tech-Konzerne durch Manipulation vieler Nutzer der sogenannten sozialen Medien.

Der Zweck der Digitalisierung muss den Zielen der sozial-ökologischen Transformation der Gesellschaft untergeordnet sein. Diese Forderung bezieht sich sowohl auf den mit der Digitalisierung unmittelbar verbundenen Ressourcenverbrauch als auch auf die daraus erwachsenden gesellschaftlichen und ökologischen Konsequenzen.

ökologischer Fußabdruck der Digitalisierung

Produktion und Betrieb digitaler Geräte sind inzwischen für einen nicht unerheblichen Teil des weltweiten Materialverbrauchs und der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Während die Prozessoren immer leistungsfähiger und energiesparsamer werden, konterkariert die schiere Anzahl von Smartphones, Laptops, intelligenten Geräten sowie deren zunehmende Nutzung und die damit einhergehende enorm wachsende Zahl digitaler Infrastrukturen, einschließlich der wie Pilze aus dem Boden schießenden Rechenzentren, das Energieeinsparpotenzial.

In den 90er Jahren wurde angenommen, das die Digitalisierung der Wirtschaft materielle und energetische Ressourcen schonen könnte, weil Daten und Informationen schließlich „immateriell“ sind. Daran glaubt heute niemand mehr, denn der Energieverbrauchs-Rucksack dieser Datennutzung ist immens. Dazu hier ein paar ausgewählte Fakten:

  • Wenn das Internet ein Land wäre, wäre es gemessen am Stromverbrauch das drittgrößte Land der Welt! [2] Energie in Form von Strom wird benötigt für die Endgeräte, den Transport der Daten und den Betrieb und die Kühlung der Server in den Rechenzentren.
  • Fast 80% des Datenverkehrs wird durch das Streaming von Videos erzeugt. Wer ein nur zehnminütiges YouTube-Video schaut, verbraucht ähnlich viel Energie, wie der fünfminütige Betrieb eines elektrischen 2.000-Watt-Ofens. [3]
  • Die Rechenzentren in Frankfurt am Main verbrauchen ca. 20 Prozent des Stroms in der Stadt und haben damit bereits den Frankfurter Flughafen überholt. [3]
  • Deutschlandweit ist der Stromverbrauch von Rechenzentren höher als der von Berlin. [4]
  • Der weltweite jährliche CO2-Ausstoß des Internets ist inzwischen fast doppelt so groß wie der des globalen Flugverkehrs. [5]
  • Der Mobilfunkstandard 5G erhöht den Energiebedarf des Mobilfunknetzes vergleichsweise um den Jahresverbrauch der 2,5 Millionen Einwohner der Städte Köln, Düsseldorf und Dortmund. [2]
  • Jeder Google-Nutzer könnte mit seinen monatlichen Suchanfragen eine 60-Watt-Glühlampe für drei Stunden betreiben. Und um die durch Google-Anfragen verursachten CO2-Emissionen auszugleichen, müssten zwei Millionen Bäume pro Tag gepflanzt werden. [2]

Dabei hat die Vernetzung von Smart Homes, von autonomen Autos, des Internet-der-Dinge bzw. der Industrie 4.0 noch nicht einmal ansatzweise begonnen.
Jedoch ist nicht allein der Energieverbrauch das Problem. Fragen der Langlebigkeit und Reparierbarkeit von IT-Geräten, der Verwendung von open-source-Techniken und Recycling sind ein weiterer Schlüssel zur Verringerung des ökologischen Fußabdrucks digitaler Technologien und Infrastrukturen. Noch wichtiger ist aber die Reflexion über den tatsächlichen Bedarf von Technologien. Nicht jedes digitale Gerät ist sinnvoll, und nicht jede Dienstleistung muss digitalisiert werden. Gadgets im smarten Zuhause dienen oft nur dem Komfort und nicht der Energieeffizienz. Autonome Fahrzeuge, die Luxus und Komfort versprechen, können noch mehr Straßenverkehr nach sich ziehen. Die klare Vision für die Rolle digitaler Technologien und ihre Unterordnung unter die Ziele einer sozial-ökologischen Transformation wird auch bestimmen, in welchem Umfang immer mehr Geräte und Anwendungen tatsächlich benötigt werden.

Soziale Teilhabe aller Menschen muss gewährleistet sein

Das Programm des Digitalgipfels 2023 in Jena ist geprägt von einer Art „Wir digitalisieren alles“-Mentalität. Notwendig ist jedoch eine Denkweise, die auf einer maßvollen und umsichtigen Nutzung von digitalen Technologien beruht. Die Beibehaltung der Möglichkeit, nicht-digitale Alternativen wählen zu können, kann dabei nicht nur als Wohlstandsgewinn betrachtet werden, sondern ist zur Sicherung der sozialen Teilhabe vieler Menschen schlicht notwendig.

So wird beispielsweise beim Kauf eines Spartickets am Schalter eines DB Reisezentrums seit Sommer 2023 verlangt, eine E-Mail-Adresse oder Mobiltelefonnummer anzugeben [6]. Über den Grund lässt sich nur spekulieren. Was aber macht eine Person, die weder eine E-Mail-Adresse noch ein (mobiles) digitales Endgerät hat und sich den deutlich teureren Flexpreis nicht leisten kann?

Ein anderes Problemfeld tut sich bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen auf. Hier soll die elektronische Patientenakte eingeführt werden. Neben unzureichend beantworteten Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit in Bezug auf derart sensible Daten gibt es keine einheitliche Verfahrensweise bezüglich der Technik. Einige Anbieter setzen auf eine Smartphone-App. Was jedoch macht ein Patient, der kein Smartphone hat oder ein solches nicht hinreichend sicher bedienen kann? [7]

Digitalisierung muss demokratisch sein und dem Gemeinwohl dienen

Eine Handvoll Big-Tech-Unternehmen bestimmt heute die Form und das Design vieler digitaler Technologien – und erzielt damit den größten Anteil der wirtschaftlichen Wertschöpfung im Bereich der Digitalwirtschaft. Als Aktienunternehmen zielen ihre Geschäftsmodelle auf Gewinnmaximierung, auf Bindung der Nutzer*innen an ihre Dienste und die ungefragte Gewinnung persönlicher Daten ab. Diese Daten sind in vielen Fällen die eigentliche Grundlage für digitale Innovationen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass viele Unternehmen Daten horten, bewachen und monetarisieren – sei es durch Aufkäufe von Start-Ups der künstlichen Intelligenz oder abgeschottete Märkte in den sozialen Medien.

Der Zugang zu Daten ist jedoch eine entscheidende Voraussetzung für digitale Innovationen, die der Nachhaltigkeit dienen. Für multimodale Mobilitätsanwendungen werden beispielsweise Daten über die Verfügbarkeit von Verkehrsmitteln, die Übereinstimmung von Angebot und Nachfrage und das Management von Fahrgastbewegungen benötigt. Kreislaufwirtschaftliche Geschäftsmodelle basieren auf Produktdaten für Reparatur, Wiederverwendung und Recycling. Und Anwendungen zur optimalen Abstimmung von variablem Stromangebot und -nachfrage können nur mit Echtzeitkenntnissen über die Strommärkte erfolgreich sein.

Der Schlüssel für eine dafür notwendige gemeinwohlorientierte Daten-Gesetzgebung ist die Erleichterung des Zugangs vieler Akteure bei gleichzeitigem Schutz sensibler Informationen und Gewährleistung der Privatsphäre. Daten- Gesetzgebung für das Gemeinwohl umfasst daher eine dreifache Strategie: Erstens muss die Datennutzung für Zwecke, die soziale und ökologische Risiken verstärken – insbesondere solche, die die digitale Souveränität untergraben – wirksamer eingeschränkt und reguliert werden. Zweitens braucht es eine sorgfältige Erstellung von Rechtsvorschriften, um Datenmonopole zu öffnen und die Zugänglichkeit zu relevanten Daten für unterschiedlichste Akteure zu verbessern. Und drittens müssen neue Institutionen geschaffen werden, die die gemeinschaftliche Nutzung von Daten und eine gemeinschaftsorientierte Anwendung datenbasierter Produkte ermöglichen.

Digitale Technologien müssen im Sinne der Suffizienz und der Kreislaufwirtschaft eingesetzt werden

Eine tiefgreifende Transformation, die dem heute bereits fortgeschrittenen Ausmaß der Klima- und Biodiversitätskrise gerecht wird, erfordert nicht nur Effizienzsteigerungen, sondern auch wirkungsvolle Strategien für Suffizienz und Kreislaufwirtschaft. Digitale Technologien können dazu beitragen, dass bei einem solchen Wandel umweltpolitische Ziele und Ziele für ein ‚Gutes Leben‘ besser in Einklang gebracht werden. Intelligente Logistik erleichtert beispielsweise die Mobilität, die Reiseplanung und den Umstieg vom motorisierten Individualverkehr auf öffentliche und gemeinsam genutzte Verkehrsmittel. Intelligente Gebäudedesigns und Sharing-Plattformen bieten den erforderlichen Raum für alle Nutzer*innen und reduzieren gleichzeitig den ressourcenintensiven Bau neuer Gebäude. Darüber hinaus können Secondhand- und Sharing-Tools die Notwendigkeit des Kaufs neuer Waren verringern und gleichzeitig Konsumbedürfnisse befriedigen. Sie tun dies mit dem Nebeneffekt, dass sie globale und generationenübergreifende Ungleichheiten ausgleichen: Suffizienzorientierte Lebensstile sind wesentlich erschwinglicher und lassen gleichzeitig mehr Raum für die Befriedigung der Bedürfnisse künftiger Generationen.

Vierter „Production Gap Report“ veröffentlicht – Globale Öl- und Gasförderung verschärft die Klimakrise

Am 8. November 2023 erschien der vierte „Production Gap Report“ – ein Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, der erstmals 2019 veröffentlicht wurde. Der Bericht zeigt die die Diskrepanz zwischen der von den Regierungen geplanten Produktion fossiler Brennstoffe und dem globalen Produktionsniveau, das mit einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C oder 2°C vereinbar ist. Der Bericht und die zugehörigen Materialien können online unter https://productiongap.org/2023report abgerufen werden.

Quelle: SEI, Climate Analytics, E3G, IISD, and UNEP. (2023). The Production Gap: Phasing down or phasing up? Top fossil fuel producers plan even more extraction despite climate promises. Stockholm Environment Institute, Climate Analytics, E3G, International Institute for Sustainable Development and United Nations Environment Programme.
https://doi.org/10.51414/sei2023.050

Fossile Brennstoffe lassen wichtige Klimaziele im wahrsten Sinne des Wortes in Rauch aufgehen. Es ist höchste Zeit für einen Wandel. Seit ihrer ersten Quantifizierung im Jahr 2019 ist die globale Produktionslücke (Production Gap) weitgehend unverändert geblieben. In den Kernthesen des Reports 2023 wird belegt, dass nach wie vor die Regierungen für das Jahr 2030 planen, mehr als die doppelte Menge an fossilen Brennstoffen zu produzieren, als es für eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C maximal zulässig wäre. Insgesamt führen die Pläne und Prognosen der Regierungen zu einem Anstieg der weltweiten Kohleproduktion bis 2030 und der weltweiten Öl- und Gasproduktion bis mindestens 2050. Dies steht im Widerspruch zu den Verpflichtungen der Regierungen im Rahmen des Pariser Abkommens und kollidiert mit den Erwartungen, dass die weltweite Nachfrage nach Kohle, Öl und Gas ihren Höhepunkt innerhalb dieses Jahrzehnts erreichen wird, auch ohne neue politische Maßnahmen.

Die wichtigsten Erzeugerländer haben sich zwar dazu verpflichtet, Netto-Null-Emissionen zu erreichen und haben auch Initiativen zur Reduzierung der Emissionen aus der Produktion fossiler Brennstoffe ergriffen. Aber keines hat sich verpflichtet, die Kohle-, Öl- und Gasproduktion im Einklang mit der Begrenzung der Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen.

Angesichts der Risiken und Unwägbarkeiten der einschlägigen Verfahren des Climate Engineering müssen die Länder einen nahezu vollständigen Ausstieg aus der Kohleproduktion und -nutzung bis 2040 und eine kombinierte Reduzierung der Öl- und Gasförderung und -nutzung bis 2050 um mindestens drei Viertel gegenüber dem Stand von 2020 anstreben. Darüber hinaus muss ein gerechter Übergang weg von fossilen Brennstoffen den unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Fähigkeiten der Länder Rechnung tragen. Regierungen mit größeren Übergangskapazitäten sollten ehrgeizigere Reduktionen anstreben und bei der Finanzierung des Übergangsprozesses in Ländern mit begrenzten Kapazitäten helfen.

Die Produktionslücke bei fossilen Brennstoffen

Die Produktionslücke bei fossilen Brennstoffen – die Differenz zwischen den Plänen und Prognosen der Regierungen und den Werten, die mit einer Begrenzung der Erwärmung auf 1,5°C und 2°C, ausgedrückt in Einheiten von Treibhausgasemissionen aus der Gewinnung und Verbrennung fossiler Brennstoffe – bleibt groß und vergrößert sich im Laufe der Zeit.

António Guterres, der Generalsekretär der UNO kommentierte diesen Bericht wie folgt:

„Die Regierungen verdoppeln buchstäblich die Produktion fossiler Brennstoffe, und das bedeutet doppeltes Leid für die Menschen und den Planeten. Wir können die Klimakatastrophe nicht bewältigen, ohne ihre Ursache zu bekämpfen: die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Die COP28 muss ein klares Signal aussenden, dass das Zeitalter der fossilen Brennstoffe vorbei ist – dass sein Ende unausweichlich ist. Wir brauchen glaubwürdige Zusagen für den Ausbau der erneuerbaren Energien, den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und die Steigerung der Energieeffizienz bei gleichzeitiger Gewährleistung eines gerechten und ausgewogenen Übergangs.“

Klimaneutralität bis 2045 – unzureichend für 1,5-Grad-Ziel Deutschlands

verbleibendes CO2-Budget Deutschland

verbleibendes CO2-Budget Deutschland


Auf der Website #showyourbudgets wird das verbleibende CO2-Budget berechnet, was zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels noch emittiert werden darf.

Im Paris-Abkommen haben die Länder der Welt versprochen, die Klimaerwärmung auf „deutlich unter zwei Grad“ zu begrenzen und „Anstrengungen zu unternehmen“, die Erwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. Der Weltklimarat IPCC hat berechnet, wie viel CO2 die Menschheit noch emittieren darf, um diese Ziele zu erreichen. Das ist das CO2-Budget der Welt.

Diese globalen CO2-Budgets können auf einzelne Länder gemäß ihrem Anteil an der Weltbevölkerung verteilt werden. Mit diesen nationalen CO2-Budgets und den aktuellen Emissionen lässt sich dann berechnen, wann ein Land Netto-Null-Emissionen erreichen muss, wenn man von einem linearen Reduktionspfad ausgeht.

Die Grafik für Deutschland zeigt, dass für die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% die Klimaneutralität bis 2029 erreicht sein muss. Die Vorgabe des Klimagesetzes die Klimaneutralität für Deutschland bis 2045 zu erreichen reicht nur für eine Begrenzung der Erwärmung auf 1,8 Grad und das auch nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 50%.

Deutschland erreicht damit seine Verpflichtung gegenüber dem Pariser Klimaabkommen nicht.

Sichere und gerechte Erdsystemgrenzen

Viele Menschen fühlen sich aktuell in ihrer gewohnten Lebensweise bedroht: Heißer Krieg in der Ukraine und sich abzeichnende Instabilität der bisherigen USA-dominierten Weltordnung, Inflation und zunehmender Druck auf den Sozialstaat, Klimakrise und die ambivalente politische Reaktion darauf, Unsicherheit angesichts von Klientelpolitik, teils lähmende Zukunftsangst und daraus folgendes stoisches Beharren auf dem Status Quo einschließlich verbreiteter Wut auf Aktionen zivilen Ungehorsams, wachsende Ungleichheit weltweit wie auch national, Probleme im Zusammenhang mit Migration, Ungerechtigkeit bezüglich der Lebenswirklichkeiten zukünftiger Generationen, …

Das ist sicher nur eine kleine Anzahl von empfundenen Bedrohungen, die jeder für sich beliebig fortsetzen könnte und sich in oftmals erst als Reaktion auf andere, tieferliegende Krisen entwickelt haben. Nun nimmt jeder Mensch die einzelnen Bedrohungen ganz individuell wahr und wichtet sie damit auch ganz individuell. Eine Frage wäre damit an dieser Stelle, ob es rationale, wissenschaftlich begründbare Kriterien gibt, die es gestatten, den Grad der Bedrohung, die Dringlichkeit der Bewältigung der jeweiligen Krise festzustellen.
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Die menschliche Klima-Nische wird kleiner

Am 22. Mai 2023 veröffentlichten Timothy M. Lenton u. a einen Artikel in der Zeitschrift Nature unter dem Titel „Quantifying the human cost of global warming“, der die zukünftig zu erwartenden Probleme der Lebensbedingungen vieler Menschen unter den Bedingungen des Klimawandels untersucht. Nachfolgend sind daraus einige wesentliche Aspekte dargestellt.

Aktuell zeigt sich, dass trotz verstärkter Zusagen und verbesserter Ziele zur Bekämpfung des Klimawandels die Welt bei der derzeitigen Politik immer noch auf dem Weg zu einer globalen Erwärmung von etwa 2,7 °C am Ende des Jahrhunderts gegenüber dem vorindustriellen Niveau ist. Forderungen nach Klimagerechtigkeit unterstreichen die Notwendigkeit, die durch den Klimawandel verursachten sozialen Ungerechtigkeiten zu bekämpfen. Bestehende Schätzungen der Kosten des Klimawandels werden fast ausschließlich in Geldwerten ausgedrückt, wodurch die Auswirkungen auf die Reichen stärker ins Gewicht fallen, als die auf die Armen. Hinzu kommt, dass zukünftige Schäden einer wirtschaftlichen Diskontierung unterliegen, weshalb die heute Lebenden ihre Belastungen höher schätzen ein als die der in der Zukunft Lebenden. Unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit ist dies unethisch: Wenn Leben oder Gesundheit auf dem Spiel stehen, sollten alle Menschen gleichbehandelt werden, egal ob sie reich oder arm sind, egal ob sie leben oder noch nicht geboren wurden.
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