Am 24. Oktober 2024 wurde der UN-Emissions Gap Report veröffentlicht.
„Zwischen Rhetorik und Realität klafft eine große Lücke, Länder entwerfen neue Klimaverpflichtungen“ – so ist der Report untertitelt. Dass ein sofortiges konsequentes Handeln zwingend notwendig ist, belegt gleichzeitig eine Veröffentlichung des Europäischen Umwelt- Überwachungsprogramms Copernicus. Es titelt in seinem monatlichen Bulletin vom 7. November 2024: „Das Jahr 2024 wird das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen sein.“
Der stellvertretende Direktor des Copernicus Climate Change Service äußerte sich dazu: „Nach 10 Monaten 2024 ist es nun so gut wie sicher, dass 2024 das wärmste Jahr in den Aufzeichnungen und das erste Jahr mit mehr als 1,5ºC über dem vorindustriellen Niveau gemäß dem ERA5-Datensatz sein wird. Dies stellt einen neuen Meilenstein in den globalen Temperaturaufzeichnungen dar und sollte als Katalysator dienen, um die Ambitionen für die bevorstehende Klimakonferenz COP29 zu erhöhen.“
Jährliche Anomalien der globalen Oberflächenlufttemperatur (°C) im Vergleich zu 1850-1900 von 1940 bis 2024. Die Schätzung für 2024 ist vorläufig und basiert auf Daten von Januar bis Oktober. Datenquelle: ERA5. Kredit: Copernicus Climate Change Service /ECMWF
Klimakonferenz COP29 in Baku – Ehrgeiz ohne Handeln ist bedeutungslos
In den kommenden zwei Wochen findet in Baku die jährliche Klimakonferenz – in diesem Jahr die COP29 – statt. Schwerpunkt dieser Konferenz ist die Frage der Finanzierung von Klimaanpassungsmaßnahmen für Länder des globalen Südens, die an den Folgen der Klimakrise am meisten zu leiden haben, jedoch zu den Ursachen am wenigsten beigetragen haben.
Zur Diskussion stehen aber genauso der Stand der Erfüllung der jeweiligen nationalen Klimaziele der einzelnen Länder und die Einordnung dieser Ziele bezüglich ihrer hinreichenden Wirksamkeit zur Erreichung des in Paris 2015 vereinbarten globalen Ziels: Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad, möglichst 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau.
Wie bereits eingangs erwähnt befasst sich der fünfzehnte Emissions Gap Report (Emissionslückenbericht) genau mit diesen „nationally determined contributions“ (NDCs), also den jeweiligen nationalen Verpflichtungen zur Erreichung der Klimaziele. Die Kernaussage ist, dass Ehrgeiz ohne Handeln nichts bedeutet. Bisher reichen die bestehenden nationalen Gesetze und weiteren Verpflichtungen (NDCs) nicht aus, um die beschlossenen Klimaziele zu erreichen. Im Detail geht es um die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C (ohne oder mit begrenzter zeitweiliger Überschreitung und mit einer Wahrscheinlichkeit größer 50 Prozent). Die Herausforderung ist dabei, zwischenzeitlich die Erwärmung auf 2°C zu begrenzen (mindestens 66% Wahrscheinlichkeit).
In den nächsten Monaten müssen die Länder ihre aktualisierten Verpflichtungen an die UN melden. Im aktuellen Emissionslückenbericht heißt es dazu: „Die nächsten NDCs müssen einen Quantensprung in der Zielsetzung im Zusammenspiel mit beschleunigten Minderungsmaßnahmen in diesem Jahrzehnt liefern“.
Hintergrund dieser Forderung ist der Rekord der im Jahr 2023 weltweit emittierten Menge an Treibhausgasen: 57,1 Gigatonnen CO2-Äquivalente (Gt CO2e).
emittierte Treibhausgase 2023
Die EU befindet sich an vierter Stelle der Emittenten mit 3,23 Gt CO2e, was 6% der weltweiten Emissionen entspricht. Pro Kopf entspricht das einem Wert von 7,3 Tonnen CO2e. Im Vergleich zu 2022 hat die EU ihre Emissionen um 7,5 % gesenkt. Die G20-Staaten (ohne die Afrikanische Union) emittierten 2023 40,9 Gt CO2e, was einem Anteil von 77 % und einer pro-Kopf-Emission von 8,3 Tonnen CO2e entspricht. Gegenüber 2022 bedeutet das eine Steigerung von 1,8 %. Im Vergleich dazu emittierten die 45 am wenigsten entwickelten Länder 1,7 Gt CO2e was einem Anteil von 3 % und 1,5 Tonnen CO2e pro Kopf entspricht. Besonders deutlich wird die Ungleichheit, wenn man ausgewählte pro-Kopf-Emissionen vergleicht: So beträgt diese für Russland mit 19 Tonnen oder für die USA mit 18 Tonnen etwa das dreifache der weltweit durchschnittlichen Emissionen von 6,6 Tonnen.
Der aktuelle Reduktionspfad ist nicht zielführend
Die Fortschritte bei den Zielen und Maßnahmen seit den ursprünglich eingegangenen Verpflichtungen (NDCs) stagnieren. Die Länder sind nach wie vor nicht auf einem geeigneten Weg, um die abgegebenen, ohnehin unzureichenden Minderungsversprechen, für 2030 einzuhalten. Die nachfolgende Grafik zeigt die Projektion der globalen Erwärmung für die durch die Länder beschlossenen jeweiligen Beiträge zur Minderung der Treibhausgasemissionen.
Nur für den Fall, dass
- alle beschlossenen politischen Vorgaben,
- alle eingegangenen zusätzlichen Verpflichtungen sowie
- auch alle Verpflichtungen, die einer zusätzlichen externen Finanzierung bedürfen und
- zusätzlich alle Netto-Null-Beiträge (Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre)
erfüllt werden, wird die Unterschreitung des Zwei-Grad-Ziels mit 1,9 Grad bei einer Wahrscheinlichkeit von 66 Prozent gerade so erreicht.
erreichbare Temperaturlevel
Analog zeigt die folgende Grafik die Wahrscheinlichkeiten, mit denen im Jahr 2100 die globale Erwärmung von 1,5, 2,0 bzw. 3,0 Grad über dem vorindustriellen Niveau überschritten wird, wenn die angegebenen Randbedingungen eingehalten werden. Selbst im Fall größter Anstrengungen wird das 1,5-Grad-Ziel, mit einer Wahrscheinlichkeit von 77 Prozent nicht eingehalten werden können.
Wahrscheinlichkeiten des Verfehlens der Ziele
Theoretisch kann das 1,5-Grad-Ziel noch erreicht werden
Angesichts dieser Werte stellt sich die Frage, inwiefern das 1,5-Grad-Ziel überhaupt noch eingehalten werden kann. Der Emissionslückenbericht zeigt einen möglichen Weg theoretisch auf. Bei Kosten von weniger als US$ 200 pro Tonne CO2 Äquivalent ist es grundsätzlich möglich, die Emissionslücke für 2030 bzw. 2035 zu überbrücken. Die Emissionsreduzierung muss dabei 2030 bei 31 GtCO2e/Jahr und 2035 bei 41 GtCO2e/Jahr liegen. Die nachfolgende Grafik verdeutlicht dieses Minderungspotential für das Jahr 2035 entsprechend der verschiedenen Sektoren.
Überblick des Minderungspotentials
Überblick des Minderungspotentials bezogen auf das Jahr 2035 für verschiedene Sektoren zu Kosten bis US$ 200/tCO2e
Der Knackpunkt ist meines Erachtens nach der Wille aller beteiligten Staaten, die nötige Finanzierung zu stemmen. Genau diese Frage steht auch auf der COP29 in Baku im Zentrum der Debatte. Angesichts der Ausgaben für Rüstung und der damit in Verbindung stehenden unmittelbaren Emissionen durch aktuell geführte Kriege sehe ich wenig Chancen, den dargestellten Pfad zu erreichen. Trotzdem sollte angesichts der bereits jetzt spürbaren Auswirkungen der Kampf um jedes Zehntel Grad weniger Temperaturerhöhung mit allen Kräften geführt werden. Das sind wir vor allem unseren Kindern und Enkeln schuldig.