Vor 50 Jahren veröffentlichte der Club of Rome seine erste Studie „Grenzen des Wachstums“. Die Autorinnen und Autoren, unter ihnen der norwegische Zukunftsforscher Jorgen Randers stellten darin fest, dass wenn die Menschheit weiter so wächst, produziert, konsumiert und die Umwelt verschmutzt wie bis dahin, sie ihre eigene Lebensgrundlage zerstören wird. Heute, 50 Jahre später hat Randers gemeinsam mit weiteren Autoren in der Bundespressekonferenz wiederum ein Buch des Club of Rome vorgestellt: „Earth4All“. Darin werden sofortige drastische Schritte für eine lebenswerte Zukunft gefordert. Ein „weiter so“ würde zu einem Zusammenbruch ganzer Regionen führen und ohne eine Umverteilung des Reichtums lasse sich die Klimakrise nicht lösen. Weiterlesen
Schlagwort-Archive: Klimakrise
ausgetrocknete Ilm bei Oettern
Am vergangenen Sonntag (21. August 22) unternahm ich eine kleine Fahrradtour auf dem Ilm-Radweg. In Mellingen am Wehr war die Ilm als solche noch erkennbar, wenngleich nur ein kleines Rinnsal über das Wehr floss. Etwas weiter Ilm aufwärts in Oettern war von der Ilm nichts zu sehen, die Brücke führte über einen Schottergraben. Ein paar Hundert Meter weiter flussaufwärts gibt es eine alte Brücke, von der aus ich diese Fotos gemacht habe:
Im Hintergrund ist jeweils noch eine größere Pfütze zu erkennen, ansonsten ist die Ilm trocken. Ich kann mich erinnern, dass bereits 2018 das Flussbett der Ilm etwas oberhalb von Buchfahrt ähnlich trockengefallen war. Aber da war zwischen den Steinen immer noch etwas Wasser zu sehen. Ich weiß nicht, was solch ein Zustand längerfristig beispielsweise für den Fischbestand in der Ilm bedeutet. Mit Sicherheit aber nichts Gutes.
Die Frage wäre, inwiefern solche Zustände eines Wasser-Defizits in Zukunft häufiger auftreten oder sich gar hin zu einem „Normal“-Zustand entwickeln werden. Dazu sei an dieser Stelle auf langfristige Messungen verwiesen.
Am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) wurde ein sogenannter Dürremonitor entwickelt. Hier werden täglich flächendeckende Informationen zur Bodenfeuchte in Deutschland erfasst und veröffentlicht. Als Dürre wird dabei die statistische Abweichung der Bodenfeuchte vom langjährigen Zustand (Zeitraum 1951-2015) im jeweiligen Monat bezeichnet. Die Daten werden für zwei Tiefen veröffentlicht – 25 cm und 1,8 m Tiefe. Die Werte für die Tiefe von 1,8 m beschreiben dabei eher einen längerfristigen Trend während weiter an der Oberfläche eher saisonale Abweichungen erkennbar sind.
Die Grafik für Thüringen, bezogen auf 1,8 m Tiefe und den 22. August 2022 zeigt für den Bereich der Ilm im Kreis Weimarer Land eine tiefrote Färbung. Dies entspricht in der Bewertung einer „außergewöhnlichen Dürre“.
Die unzureichende Bodenfeuchte ist also offensichtlich ein langfristiger Effekt – letztlich eine Auswirkung der Klimakrise.
Die Tagesschau veröffentlichte am 26. August 22 ebenfalls einen Beitrag zu diesem Problem.
Die Saale in Jena ist durch die Staustufen im Oberlauf von einer solchen extremen Situation nicht betroffen – bleibt die Frage, wie lange noch.
Runter vom Gas!
Was jetzt endlich passieren muss
Seitdem Russland am 24. Februar seinen militärischen Überfall auf die Ukraine begonnen hat, ist die Welt, in der hierzulande viele zu leben glaubten, nicht mehr da. Die Vorstellungen, dass Demokratie so attraktiv sei, dass sie sich ganz von allein überall auf der Welt durchsetzen werde, und der Glaube daran, dass die Einbindung in globalisierte Märkte für alle beteiligten Länder vorteilhaft sei und dazu führe, dass alle ein Interesse an Frieden hätten, haben sich als fatale Illusionen erwiesen. Stattdessen müssen viele nun etwas einsehen, worauf aus der Klimabewegung schon lange immer wieder hingewiesen wird: Das friedliche Leben in Wohlstand und Freiheit, an das man sich so gewöhnt hat, dass man es für selbstverständlich, ja für ein Anrecht hielt, war immer mit Armut, Gewalt und Unfreiheit anderswo erkauft – und diese viel zu lange verdrängten Folgekosten, die in Gestalt der sich verschärfenden Klimakrise schon lange sehen konnte, wer sie denn sehen wollte, kommen nun ungleich plötzlicher und drastischer hierher zurück. Sie lassen sich jetzt nur noch um den Preis weiter verdrängen, Demokratie und Menschlichkeit um des Wohlstands und der Bequemlichkeit willen zu opfern. Der einzige andere Weg ist der, die eigene Verantwortung für die Misere der Welt anzunehmen, gemeinsam mit den Menschen in der Ukraine die Demokratie und die Menschenrechte zu verteidigen – und so schnell es geht zu einer Lebensweise zu finden, die ohne die dauerhafte Auslagerung ihrer Lasten auf andere auskommt und die deshalb ein Leben in Würde und Selbstbestimmung für alle erst denkbar macht.
Weiterlesen
EU will Kernkraft und Erdgas als „nachhaltige Technologien“ einstufen
Im Dezember 2019 wurde in Brüssel der „Europäische Grüne Deal“ vorgestellt.
Ausgangspunkt des European Green Deals (EGD) ist die Anerkennung der Tatsache, dass Klimawandel und Umweltzerstörung existenzielle Bedrohungen für Europa und die Welt sind. Mit dem EGD will die Europäische Union daher den Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft schaffen, die
- bis 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr ausstößt,
- ihr Wachstum von der Ressourcennutzung abkoppelt,
- niemanden, weder Mensch noch Region, im Stich lässt.
Ein Drittel der Investitionen aus dem Aufbaupaket NextGenerationEU und dem Siebenjahreshaushalt der EU mit einem Umfang von insgesamt 1,8 Billionen EUR sollen in den Grünen Deal fließen. Der EGD ist mit vielen Einzelmaßnahmen untersetzt, die auf der entsprechenden EU-Website nachgelesen werden können. Es ist abzusehen, dass die Haushaltsmittel der EU, die dafür vorgesehen sind, nicht ausreichen werden um die Ziele des EGD zu erreichen. Die EU hat deshalb eine Taxonomie, also eine Bewertung für potentielle Investoren erarbeitet, welche Technologien im Rahmen des European Green Deals als „nachhaltige Technologien“ gelten. Hier können private Investoren, vermutlich vor allem weltweit agierende Anlagefonds ihr Kapital investieren und mit dem Etikett „nachhaltige Geldanlage“ versehen.
Ein Problem ist dabei jedoch, wie am 31. Dezember 2021 von der EU-Komission veröffentlicht wurde, dass sowohl die Kernenergie wie auch die Erdgasverbrennung als „nachhaltige“ Technologien eingestuft werden. Was am Bau neuer Kernkraftwerke und neuer Gaskraftwerke nachhaltig im Sinne der Bewältigung der Klimakrise sein soll, erschließt sich mir jedoch nicht.
Das Erreichen des 1,5°-Ziels erfordert unmittelbar eine drastische Reduzierung der CO2-Emissionen. Nähere Ausführungen dazu gibt es im Blog der Zukunftswerkstatt Jena. Der Weg dahin kann nur sein, sofort und in bisher unerreichtem Tempo die Kapazitäten der erneuerbaren Energien auszubauen. Dieser Ausbau muss verbunden werden mit dem Ausbau von Energiespeichern und dem Netzausbau, weil die erneuerbaren Energien für sich alleine nicht grundlasttauglich sind. Trotzdem werden jedes neu installierte Windrad und jeder Quadratmeter Solarzellen sofort wirksam für die Energieerzeugung und können CO2-Emissionen sofort reduzieren.
Gaskraftwerke können in diesem Sinne keinen Beitrag zur Erreichung des Klimaziels leisten. Sie emittieren zwar weniger CO2 als Kohlekraftwerke, aber sie emittieren CO2. Und Kernkraftwerke gleich gar nicht. Sie sind (fast) ohne CO2-Emissionen nur dann, wenn ausschließlich der Moment des Betriebs betrachtet wird. Wird die Gesamtemission einschließlich Bau (Beton und Stahl) und Rückbau sowie die Aufbereitung des Kernbrennstoffs und dessen bisher ungeklärte Endlagerung mit betrachtet, ist die Bilanz drastisch schlechter. Hinzu kommt, dass der Neubau eines Kernkraftwerks einschließlich Planung und Genehmigung leicht 20 Jahre dauern kann und damit viel zu spät wirksam werden würde. Kernkraftwerke sind also definitiv kein Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise. Ich kann dieses Vorgehen der EU eigentlich nur als Etikettenschwindel oder Neudeutsch Greenwashing bezeichnen.
Hinzu kommt am Ende noch eine grundsätzliche Kritik: Der gesamte Eropean Green Deal ist kein Beitrag zur eigentlich nötigen Transformation unserer Wirtschafts- und Lebensweise. Nur eine nicht an Wachstum orientierte, ressourcenschonende und die planetaren Grenzen beachtende, dezentral vernetzte Gesellschaft wird in der Lage sein, die Klimakrise zu bewältigen. Der European Green Deal verändert die heutige profitorientierte Wirtschaftsweise überhaupt nicht, sondern streicht sie lediglich hübsch grün an.
Klimawandel in Jena – Daten von 1979 bis 2022
Meteoblue ist die von mir bevorzugte Webseite für die Wettervorhersage. Sie ist sehr übersichtlich, ohne allzu viel Werbung und mit einer Anzeige, wie hoch die Treffsicherheit der Vorhersage ist. Nebenbei bietet die Seite eine Vielzahl von weiteren Informationen rund um Wetter und Klima.
Vor einigen Tagen wurden Grafiken zu klimatischen Entwicklungen für Jena veröffentlicht. Die Daten zeigen die Entwicklung der mittleren Jahrestemperaturen bzw. des Gesamtniederschlags für Jena und Umgebung (etwa 30 Km räumliche Auflösung). Angabe zur Quelle der verwendeten Daten finden sich auf der Website von Meteoblue.
Entwicklung der jährlichen Temperaturen in Jena
Die Grafik zeigt die Schätzung der mittleren Jahrestemperatur für die Zeit von 1979 bis 2022. Die gestrichelte blaue Linie ist der berechnete lineare Trend der Jenaer Jahresmitteltemperaturen. Er beginnt 1979 bei 8,1 °C und endet 2020 bei 10,2 °C. Das entspricht einer Klimaerwärmung von 2,1 °C. Die violette Linie stellt die für das jeweilige Jahr ermittelte mittlere Jahrestemperatur dar. Damit korrespondieren die unten dargestellten farbigen Erwärmungsstreifen. Sie stellen die Abweichung im Vergleich zum 30-jährigen Klimamittelwert 1980-2010 dar; rot, bei einer positiven Abweichung – das Jahr war wärmer als der Mittelwert und blau bei einer negativen Abweichung – das Jahr war kälter als der Mittelwert.
Der Trend zu einer steigenden Jahresmitteltemperatur ist klar erkennbar.
Entwicklung des jährlichen Niederschlags in Jena
Dargestellt ist die Entwicklung des mittleren Gesamtniederschlags für Jena und Umgebung. Die Trendlinie ist zwar leicht fallend – ein klarer Trend ist hier jedoch nicht zu erkennen.
Monatliche Abweichungen von Temperatur und Niederschlag 1979-2022 – Klimawandel Jena
Das Diagramm zeigt die monatlichen Abweichungen im Vergleich zum 30-jährigen Klimamittelwert 1980-2010 für die Temperatur und den Niederschlag in Jena. Für die Temperatur ist ab 2015 erkennbar, dass es nur noch sehr wenige negative Abweichungen gibt. Dies widerspiegelt die mit dem Klimawandel verbundene Erwärmung ganz klar auch für die Region Jena.
Für den Niederschlag ist solch eine eindeutige Tendenz nicht erkennbar, obwohl ab 2015 die negativen Abweichungen – es war trockener als im klimatischen Mittel – erkennbar ist.
Weitere Details sind auf der Meteoblue-Website nachzulesen.
Klimakrise: Wie weiter mit der Energie – Renaissance der Kernkraft?
Ausgangspunkt für den Versuch einer Antwort ist das Erreichen des 2015 in Paris beschlossenen Ziels: Begrenzung des Anstiegs der mittleren globalen Temperatur auf deutlich unter 2 °C, möglichst 1,5 °C im Vergleich zum vor-industriellen Zeitalter. Auf welchem Weg dahin bewegen wir uns derzeit be-züglich der Energie?
Im Vorfeld der COP 26 Tagung in Glasgow im November 2021 hat die Inter-nationale Energieagentur (IEA) im Oktober in ihrem „World Energy Outlook 2021“ ein neues Szenario veröffentlicht, wie bis 2050 die CO2-Netto-Emission auf Null gesenkt und das 1,5 Grad-Ziel erreicht werden könnte.
Die Kurve STEPS (Stated Policies) beschreibt dabei den Stand der aktuellen Regierungsprogramme und Ziele der Staaten zum Klimaschutz. Das Szenario APS (Announced Pledges Scenario) modelliert die für Glasgow neu zugesagten Veränderungen in der Energieversorgung und bei den Emissionen der Staaten zur Erreichung der Klimaziele. Beispielsweise ist hier bereits das neue EU-Klimagesetz vom Sommer 2021 und das „Fit for 55“-Paket der EU als vollständig umgesetzt eingerechnet. Beide Szenarien verfehlen das 1,5-Grad-Ziel deutlich.
Weil das von der IEA früher verwendete Zielszenario SDS (Sustainable Deve-lopment Scenario) das 1,5 Grad Ziel inzwischen auch nicht mehr erreicht, wurde es durch das Szenario NZE (Net Zero Emissions by 2050 Scenario) er-setzt. Hier wird aufgezeigt, wie das 1,5 Grad-Ziel erreicht werden könnte. Unter Anderem sind dabei folgende Zwischenziele anvisiert:
• 2021: keine neuen Erschließungen von Öl- oder Gasvorkommen mehr, keine neuen Kohleminen oder deren Erweiterung
• 2030: 60 Prozent aller verkauften Autos mit Elektroantrieb
• 2030: 1.020 Gigawatt jährlicher Zubau von Photovoltaik und Windan-lagen
• 2035: Netto-Null CO2-Emissionen im Stromsektor in allen „advanced economies”, also mindestens in allen OECD-Ländern
• 2040: Treibhausgasfreier Stromsektor weltweit
• 2040: 50 Prozent aller Gebäude saniert auf Nullenergiestandard
• 2050: 70 Prozent der weltweiten Stromerzeugung aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen
• 2050: Netto-Null-Treibhausgasemissionen, auch durch „Carbon Capture and Usage“ aus den verbliebenen etwa 22 Prozent fossilen Energien
Die obenstehende Grafik zeigt die Entwicklung der Energieträger in den ein-zelnen Szenarien. Deutlich wird, dass der Einsatz aller fossilen Energieträger spätestens ab 2025 stark sinkt, ja nahezu abstürzt. Zu den „Low emissions“ Energieträgern, deren Verwendung stark zunehmen muss, werden grüner Wasserstoff, daraus hergestellte Treibstoffe sowie aus Bioenergie-Anlagen gewonnene Treibstoffe gezählt.Ab dem Jahr 2030 müssten laut IEA jährlich global mehr als 1.000 Gigawatt Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen zugebaut werden um „Net Zero 2050“ zu erreichen, davon an Photovoltaik-Anlagen 630 Gigawatt. Das ist etwa fünfmal so viel, wie im Jahr 2020 zugebaut wurde. Die IEA ruft im World Energy Outlook 2021 explizit dazu auf, die Erneuerbaren Energien wesentlich stärker auszubauen als bislang geplant, um die Energiemärkte zu stabilisieren, die fossilen Energien zu ersetzen und so die Preise für Verbraucher niedrig zu halten.
Ein weiterer wichtiger Baustein beim beschleunigten Ausbau der erneuerba-ren Energien ist die Erhöhung der Flexibilität des Energiesystems. Es muss in der Lage sein, die Volatilität der Stromerzeugung aus Windkraft und Photo-voltaik-Anlagen auszugleichen.
Und was ist mit der Kernkraft?
Eine ganze Reihe von Gründen sprechen gegen Kernkraft. Da sind zum einen die bekannten Probleme wie die Betriebsrisiken, der radioaktive Müll und die Gefahr der Weiterverbreitung von Kernwaffen. Weitere Gründe ergeben sich direkt aus dem oben dargestellten NZE-Szenario der IEA:
• Bezogen auf die Notwendigkeit, spätestens 2025 den Verbrauch fossiler Energieträger massiv durch Alternativen abzulösen, kann der Ausbau der Kernkraft keinen entscheidenden Beitrag leisten. Der Anteil der Kernkraft an der Deckung des weltweiten Energiebedarfs beträgt mit 415 Kernkraftwerken (KKW) in 33 Ländern derzeit etwa 2%; gemessen allein an der Stromerzeugung etwa 11%. Selbst eine Verdopplung der Anzahl der KKW brächte also kaum einen merklichen Effekt.
• Das Durchschnittsalter der KKW beträgt derzeit 31 Jahre – viele Reak-toren werden also in absehbarer Zeit stillgelegt werden müssen, weil ihre Betriebsdauer – ausgelegt auf maximal etwa 40 Jahre – abgelaufen ist. So wurden 2020 fünf KKW in Betrieb genommen und sechs ab-geschaltet. Insgesamt müssten in den kommenden 20 Jahren fast 300 Reaktoren neu gebaut werden, nur um die bestehenden Kapazitäten zu erhalten. Es sind aber gerade einmal 46 KKW im Bau in unterschied-lichen Phasen. Und vom Planungsbeginn bis zur Inbetriebnahme ver-gehen gut 20 Jahre – falls es keine Verzögerungen gibt.
• Der Bau eines Kernreaktors muss vorfinanziert werden, benötigt also Kredite. Weltweit jedoch stellt keine private Bank Kredite für den Neu-bau von Kernkraftwerken zur Verfügung. Sie gelten privatwirtschaftlich als unrentabel. Nur durch direkte und versteckte staatliche Subventio-nen sind sie bezahlbar. Das betrifft staatlich subventionierte Forschung und Entwicklung genauso wie staatliche Haftung im Katastrophenfall, staatlich finanzierte Endlagerung der radioaktiven Abfälle oder garan-tierte subventionierte Preise für jede erzeugte Kilowattstunde Strom (Großbritannien – Hinkley Point). Hinzu kommt, dass jeder Euro an Subventionen, der in die Kernkraft gesteckt wird, für Investitionen in erneuerbare Energien, in Speichertechnologien und in Energieeffizienz fehlt. Insofern ist Kernkraft tatsächlich schlecht für den Klimaschutz.
• Kernkraft und erneuerbare Energien sind technisch nicht kompatibel. Kernkraft basiert auf dem Prinzip der Grundlastsicherung. Einmal in Betrieb lässt sich ein Kernreaktor nur sehr träge bezüglich seiner Leis-tungsabgabe regeln. Erneuerbare Energien unterliegen in ihrem Auf-kommen Schwankungen, die vor allem durch Speicher ausgeglichen werden müssen. Deshalb fordert die IEA in ihrem NZE-Szenario auch eine Erhöhung der Flexibilität des Energiesystems. Dem steht jedoch der Ausbau der Kernkraft diametral entgegen.
• Die Gestehungskosten für Strom sind bei Erzeugung in Kernkraftwerken am höchsten, wie die folgende Grafik zeigt:
• Und: Seit 2009 fielen die Preise für Solaranlagen um 90% und für Windkraftanlagen um 70%, während sie für Kernkraftanlagen im glei-chen Zeitraum um 30% stiegen. Somit ist auch aus sozialen Gründen Kernkraft eindeutig die schlechteste Wahl.
Wenn heute seitens der Regierungen einiger EU-Mitgliedsländer gefordert wird, Kernkraft als „emissionsfrei“ anzuerkennen, so stehen dahinter finan-zielle Interessen: Entsprechend der EU-Taxonomie würden Investitionen in Kernkraft dann als „Grünes“ Investment zählen. Diese „nachhaltige wirt-schaftliche Tätigkeit“ ist dann für Finanzanleger von großem Interesse.
Dieser Text steht auch als PDF-Datei zur Verfügung.
Weiterführende Informationen zur Problematik Klimakrise und Kernkraftbgibt es auf der Website von .ausgestrahlt. Eine kleine Broschüre ist auch „Irrweg in der Klimakrise (von .augestrahlt übernommen).
Fahrradstaffel Leipzig – Brüssel: „Wir bringen den Eiffelturm nach Brüssel“ – #MakeParisReal
Vor fünf Jahren am 12. Dezember wurde in Paris das „Übereinkommen von Paris“ in Nachfolge des Kyoto-Protokolls ausgehandelt mit dem Ziel, die menschengemachte globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad gegenüber den vorindustriellen Werten zu begrenzen. Ebenso soll die Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel verbessert sowie eine konsistente Finanzierung in Bezug auf das vereinbarte Ziel gesichert werden.
Die Besonderheit dieser Übereinkunft gegenüber vorherigen Vereinbarungen besteht darin, dass jeder Vertragsstaat selber entscheidet, welchen Beitrag er zur Erreichung dieser Ziele leistet. In jedem Jahr sollen alle Beiträge erfasst und bezüglich der damit möglichen Erreichbarkeit der Ziele bewertet werden. Die bisher eingereichten Beiträge sind bei Weitem noch nicht ausreichend. Nach jetzigem Stand würden sie zu einer Erwärmung um etwa 2,7 Grad führen. Damit wird die Überschreitung möglicher Kipppunkte wahrscheinlich, welche zu irreversiblen Veränderungen des Klimas führen können. Ebenso wird an vielen Stellen die Dringlichkeit des Handelns betont [z. B. Stefan Rahmstorf]. Mögliche Entwicklungspfade, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen wurden in einem Sonderbericht des IPCC dargestellt. Diese Pfade beinhalten alle eine Beibehaltung bzw. deutlichen Ausbau der Kernenergie sowie die Anwendung technischer Verfahren zur Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre – allesamt hochproblematische und umstrittene technische Ansätze. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die bisherigen Anstrengungen in keiner Weise ausreichen.
Mitglieder der Leipziger Gruppe der Parents for Future (P4F) haben deshalb die Idee gehabt, die für den 10. Dezember 2020 vorgesehene Beratung der Beiträge der EU zur Erreichung der Pariser Klimaschutzziele zum Anlass zu nehmen, um „den Eiffelturm nach Brüssel“ zu bringen, und zwar in Form einer Fahrradstaffel. Heute war nun Jena der Etappenhalt. Gegen 18:30 Uhr wurde die Gruppe aus Leipzig in Jena an der Stadtkirche empfangen.
Morgen startet die nächste Etappe nach Erfurt. Unter #MakeParisReal kann die Radtour weiter verfolgt werden.
Rückblick 2019 und Ausblick 2020
Die Diskussion um die Klimakrise hat 2019 deutlich an Fahrt aufgenommen. Dazu haben viele Faktoren beigetragen, unter anderem die in diesem Jahr erlebten Wetterextreme, die vielfach dem Klimawandel zugemessen werden. In unserem unmittelbaren Erfahrungsbereich war das vor allem die Hitzeperiode in diesem Sommer, in der die bisherigen Rekorde gebrochen wurden – verbunden mit der zweiten großen Dürre in Folge. Große, für alle sichtbare Teile der uns unmittelbar umgebenden Wälder haben diesen Stress nicht überlebt; viele Bäume sind abgestorben. Feuer haben in Kalifornien in bisher nicht bekanntem Ausmaß gewütet und wüten derzeit in Australien. Brandenburg erlebte seinen bisher größten Waldbrand.
Die Erkenntnis, dass es hier Zusammenhänge zwischen dem Klimawandel und den erlebten Extremen gibt ist, glaube ich, vielen Menschen gegenwärtig. Bei daraus erwachsenden notwendigen Handlungen besteht jedoch überwiegend noch ein Defizit. Jedes weitere Jahr des Nicht-Handelns oder des Unzureichend-Handelns bringt uns potentiellen Kipp-Punkten und damit verbundenen irreversiblen Veränderungen ein Stück näher.
Die Bewegung Fridays for Future hat eine ihrer wesentlichen Triebkräfte genau in diesem Widerspruch zwischen eigentlich dringend notwendigem Handeln und dem Fast-Nichts-Tun der politischen Verantwortungsträger. Das von der Bundesregierung im September verabschiedete Klimapaket ist weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Festlegungen zur Windkraft sind eher ein Verhinderungs- als ein Förderprogramm.
Auch in Jena sind, vor allem auf Druck der Fridays for Future Bewegung erste Schritte vollzogen worden. Der Klimanotstand wurde festgestellt, ein Runder Tisch Klima und Energie wurde eingerichtet, vor allem um Ideen zu sammeln, was Jena als Kommune im Kampf gegen die Klimakrise tun kann. Eingerichtet wurde auch ein Klimaschutz-Beirat, um die Ideen des Runden Tisches in die Arbeit des Stadtrates einzuspeisen. Der Kampf gegen die Klimakrise befindet sich in einer kritischen Phase: Es gibt in den nächsten Jahren ein – inzwischen sehr enges – Zeitfenster, um Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität und des Klimas auszuweiten und den Ressourcenverbrauch drastisch zu reduzieren.
Welche Einflussmöglichkeiten es gibt, kann jeder selbst ausprobieren mit dem (englischsprachigen) Klimasimulator „En ROADS Climate Solutions Simulator“.
Wie dem auch sei – ich wünsche allen ein erfolgreiches und vor allem gesundes Jahr 2020.